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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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angehalten.
    »Nein, nein, bleiben Sie nur!«, sagte der Arzt und schob demonstrativ seine rechte Hand nach vorn wie ein mitten auf der Straße stehender Verkehrspolizist, der den herannahenden Fahrzeugen signalisiert: Bis hierhin – und nicht weiter! »Auf Wiedersehen, Herr …, … äh.«
    »Jansen«, soufflierte der Assistent eilfertig.
    »Also dann, meine Herren!«, rief Doktor Ammar und deutete ein Klatschen in die Hände an, worauf die Tür geöffnet wurde und der Tross aus fünf, sechs Personen sich in Sekundenschnelleteilte wie das Meer in der Bibel bei Moses, um dem mit vorgerecktem Kinn vorauseilenden Chilenen den Weg frei zu machen. Keine sechzig Sekunden später war der Spuk vorbei und Helmut wieder sich selbst überlassen.
    »Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist!«, rief er frohlockend in die Stille des sonnenhellen Zimmers hinein. Und bereits eine Viertelstunde später (Ja, er konnte nicht schnell genug weg sein!) stand er, nachdem er aus den Händen der überaus wortkargen Stationsschwester Ursula Frech seine Entlassungspapiere erhalten und in seiner Bennetton-Tasche verstaut hatte, frisch geduscht und mit ebenfalls frischen Sachen bekleidet, vor dem Aufzug und trat, noch etwas wacklig auf den Beinen, in die Kabine, in der ein mit einem grünen Kittel bekleideter Pfleger an ein Bett gelehnt stand, in dem jemand lag und heftig schnaufte. Von dem Kranken waren von Helmuts Position aus, so nah bei der Tür, lediglich die unter der dünnen weißen Bettdecke angedeuteten Beine und Füße auszumachen. (Dass es sich bei dem Kranken um niemand anderes als seinen kürzlich eingelieferten jüngeren, von seinem Heppenheimer Fenstersprung schwer gezeichneten Bruder Konrad handelte, der da, gerade mal eine Armlänge von ihm entfernt, bewusstlos im Bett lag, wäre Helmut nicht einmal im Traum eingefallen. So wandte er sich denn auch sogleich erfreulicheren Dingen zu, allem voran der Vorstellung, sobald er zu Hause war, Reetz und Gibson anzurufen, um sich mit ihnen für den Abend im »Goldenen Anker« zu verabreden.) Doch kaum war der Lift, nachdem er zunächst in die »Orthopädie« im 4. Stock hinaufgefahren war und den Pfleger samt dem Kranken in seinem Bett ausgespuckt hatte, im Parterre angelangt, strebte Helmut hinaus und dem T-Com-Münzfernsprecher in der Eingangshalle zu. Er schob seine T-Com-Karte in den dafür vorgesehenen Schlitz und tippte, denverschrammten rosafarbenen Hörer ans Ohr gedrückt, wie versprochen und mit Blick durch das weitläufige Panoramafenster auf die vor dem Haus stehenden, in der Sonne funkelnden cremefarbenen Taxis, Bens Nummer ein. Es läutete dreimal, dann sprang der AB an, und die Stimme (Bens blecherne Stimme) sagte: »27 71 33. Ben Jansen. Hinterlassen Sie eine Nachricht oder senden Sie ein Fax unter derselben Nummer!«
    Der Piepton, der ihm das Signal zur Aufnahme gab, folgte kurz und so enervierend, als puste jemand in eine leere Bierflasche, dass Helmut, noch dazu verärgert über den empörend unpersönlichen Ansagetext, nur widerwillig loslegte: »Hier spricht dein Vater«, sagte er. »Sie haben mich eben aus dem Krankenhaus entlassen. Es ist, soweit ich das überblicken kann, alles in Ordnung. Nur dass du das weißt. Tschö!«
    Helmut hängte den Hörer ein und war im Begriff, sich nach seiner vor ihm auf dem Boden stehenden Tasche zu bücken, als er beobachtete, wie einer der Taxifahrer, draußen auf dem Vorplatz, den Kofferraum seines Mercedes öffnete, einen Holzkasten herausnahm, den Kofferraum wieder schloss und, umringt von seinen Kollegen (allesamt dunkelhaarigen, mehr oder weniger fremdländisch aussehenden Männern), den Kasten, der sich bei genauerer Betrachtung als Backgammon-Spiel erwies, darauf abstellte, aufklappte und Anstalten machte, mit seinem Gegenüber ein Spielchen zu beginnen.
    »Also, guck dir die an!«, murmelte Helmut, gefangen und abgestoßen zugleich von dem, was er sah. »Spielen am helllichten Tag Backgammon, während unsereins mit dem Tod ringt oder einer geregelten Arbeit nachgeht, wie es sich gehört! Fehlt bloß noch, dass die ihre Gebetsteppiche rausholen! Na, ist doch wahr!«, rief Helmut leicht irritiert, als er bemerkte, dass eine ältere, ihn kopfschüttelnd anblickendeFrau offenbar seit geraumer Zeit hinter ihm stand und Zeuge seiner Äußerungen geworden war. Dann schnappte er seine Tasche und lief, in leicht schwankendem Schritt, hinaus in den sonnigen Hanauer Morgen.
    Abgesehen von dem gelegentlichen Zwicken in der Leiste,

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