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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wohnzimmer, wo er sich in seinen Ohrensessel sinken ließ. Sein Puls war unterdessen in den leichten Galopp zügigen, aber noch unangestrengten Gehens gefallen, und in dem enggewundenen Geschlinge seiner Därme brauten sich erste leichtere Eruptionen zusammen. Gleichzeitig befand sich sein Serotoninspiegel im Sinkflug. Kurz: Helmut war alarmiert, doch von Panik oder dergleichen konnte nicht die Rede sein. Was ihn vielmehr aufbrachte, war der Umstand, dass er die Otriven-Sprühflasche beim besten Willen nicht finden konnte.
    Seine schlaff über die Sessellehnen hängenden Arme angelten nach der Fernbedienung. Die Finger seiner linken Hand bekamen sie schließlich zu fassen, übten an den entsprechenden Stellen gezielten Druck aus, und mit einem metallischen Laut, der das gleichzeitige Anspringen des Videorecorders signalisierte, schaltete sich der Sony-Fernseher ein.
    Helmut starrte entgeistert und wie durch Nebelbänke hindurch auf die Mattscheibe, denn was er in großer Ferne ungläubig und auf die Schnelle als die überraschend freizügige Werbeclip-Auftakteinstellung eines Herstellers von Waschlotionen zu identifizieren glaubte, war in Wahrheit das Standbild jenes Pornofilms, den er am Abend zuvor aus der Videothek nach Hause getragen und desinteressiert per Druck auf die Freeze-Taste gestoppt hatte. Zugleich hatte er das störende Gefühl, um ihn herum herrsche plötzlich Finsternis, so als habe jemand ohne seine Zustimmung abrupt die Rollläden heruntergelassen.
    Natürlich konnte sich das Ganze als falscher Alarm und völlig harmlos erweisen; doch wann, zum Teufel, hatte er je davon gehört, dass sich Blut im Urin, noch dazu in solch hoher Konzentration, als völlig harmlos erwiesen hatte? Wie es aussah, hatte er ein Problem. Was also konnte er tun? Entweder er rief auf der Stelle Dr. Bender an und vereinbarte einen Termin, um die Sache abzuklären (bekanntlich barg Früherkennung die größten Heilungschancen). Oder aber er spielte auf Zeit und wartete den nächsten Toilettengang ab. Vielleicht handelte es sich bei der Blutung ja um eine einmalige Sache, ein temporäres Leck sozusagen, und alle Aufregung war umsonst?
    Helmut entschied sich für Letzteres. Warum die Pferde scheu machen?, sagte er sich. Gleichzeitig aber kam ihm eine Idee. Entschlossen drückte er die rot gekennzeichnete OFF-Taste an der Fernbedienung, erhob sich und lief hinüber in die Küche. Dort nahm er ein Glas aus dem Hängeschrank unddrehte den Wasserhahn auf, füllte es bis zum Rand und leerte es begierig wie ein Köter, der stundenlang über endlose hitzeflirrende Landstraßen gejagt war. Anschließend trank er weitere vier Gläser und tappte (wobei das Wasser in seinem Magen hörbar glucksend gegen dessen Wände schwappte) zurück ins Wohnzimmer. Seine Bauchdecke spannte sich wie das Fell einer Trommel. Er sah auf die Uhr. Draußen vor dem Haus ging eine Frau, die einen weißen Kinderwagen vor sich herschob, vorbei, blieb kurz stehen, beschirmte mit der Hand die Augen gegen die Sonne und warf einen flüchtigen Blick zu ihm herein. Was gibt es hier schon groß zu sehen?, dachte Helmut. Einen Mann, der sich den Bauch mit Leitungswasser vollschlägt! Bei Gott, kein prickelnder Anblick.
    An der hellen Wand war der scharf konturierte Schatten, den die Dachluke warf, wie auf einer Sonnenuhr gewandert; eine Stunde war vergangen. Helmut hätte nicht sagen können, wie lange er bereits im Sessel gesessen und reglos den rot leuchtenden Punkt unterhalb der Mattscheibe des Fernsehers angestarrt hatte, der den Stand-by-Status des Geräts anzeigte, als er einen ersten schwachen Druck auf der Blase zu spüren glaubte. Entschlossen fuhr er auf und lief ins Bad. Er klappte den Deckel der Toilette hoch und nestelte am Zippverschluss seiner Jeans, angelte nach seinem Glied, zog es ruppig aus dem engen Stoffschlitz hervor und hielt die Luft an: Der Befehl des Großhirns an den Detrusormuskel war angekommen, ein leichtes Brennen, das sich bis hinunter in die Hoden ausbreitete, durchfuhr seine Harnröhre, und Helmut spürte, wie der Urin hindurchzurinnen begann.
    Am liebsten hätte er die Augen vor dem verschlossen, was da im kräftigen Rotton sonnengereifter sardischer Strauchtomaten in die Schüssel rieselte, um sich noch in derselben Sekunde mit dem Restwasser darin zu einer scheinbar harmlosenlachsfarbenen Lache zu vermischen. Doch die Sache war zu eindeutig, als dass leugnen noch geholfen hätte.
    Scheiße!, dachte Helmut, betätigte kraftlos die

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