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Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Titel: Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Archer
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unter dem verkratzten Eis nicht lesen. Aber immer dann, wenn ein Wort an die Oberfläche schwamm, erhaschte Daphne einen Blick auf eine geschwungene Schwanzlinie eines kleinen Schreibschrift-F oder auf die Rückgrat-Kehre eines V, ehe das Wort davonschnellte.
    »Hallo!«, rief Daphne mutig. »Junge?«
    Er war so weit weg, dass sie ihn nur undeutlich sah. Aber irgendwo tief in ihrem Inneren erkannte sie ihn. Bei seinem Anblick schlug Daphnes Herz schneller. Er war kräftiger geworden.
    »Hallo?«, versuchte sie es noch einmal.
    Weil er nicht aufblickte, wagte sie sich selbst aufs Eis hinaus.
    Die Oberfläche war stabil und so zerkratzt, dass das Eis unter Daphnes nackten Füßen angenehm rau war. Daphne fühlte sich sicher, zumal hin und wieder ein schwimmendes Wort unter ihr aufblitzte.
    Während sie dem Jungen näher kam, wurde das blaue Eis allmählich dunkler. Das gab ihr das Gefühl, auf einer unsichtbaren Haut über einen nächtlichen Himmel zu spazieren. Die schwimmenden Wörter blieben im offenkundig seichteren Wasser zurück und näherten sich Daphne nicht mehr. Immer noch trennten sie drei oder vier Meter von dem Jungen, und unter ihr tat sich die Unendlichkeit auf.
    »Sieh mich an!«, bat Daphne den Jungen. Da hob er für einen Moment den Kopf. Daphne stockte der Atem. Es war wirklich Cecil – aber er war so krank, dass er sich kaum bewegen konnte. Aus seinem Blick sprachen Erschöpfung und große Angst. Die Augenfarbe war nicht mehr das schmelzende Braun, an das Daphne sich so gut erinnerte, sondern das klare Grau glatter Flusssteine. Da, kaum dass sich ihre Blicke begegneten, brach unter den Geschwistern die Eisdecke.

39. Kapitel
    Daphne und Cecil stürzten durch die mit silbrigen Wörtern gespickte Eisschicht. Es fühlt sich an wie in einem klassischen Falltraum, aus dem man keuchend hochschreckt. Nur dass der Schreck natürlich viel länger anhält und dabei auch noch glitzernde Wortfetzen einem die Wangen streifen. Außerdem landet man, anstatt aufzuwachen, in einer Kaskade aus herabstürzendem Eis auf einem Spiegel.
    Daphne und Cecil landeten Seite an Seite, schlitterten aber sofort in entgegengesetzte Richtungen davon. Mit dem kalten Wasser regneten Wörter auf sie herab und blieben zappelnd und nach Luft schnappend auf dem Glas liegen. Während sich Daphne auf einer Eisscholle von ihrem Schreck erholte, starrte sie im stählernen Licht der Spiegelhöhle auf die sich hebenden und senkenden Kiemen des Wortes ABGRUND.
    Ihr Bruder war verschwunden. Sie rief nach ihm, so laut sie konnte, und ruderte suchend auf ihrer Scholle umher. Vergeblich.
    Daphne vergoss eine Träne, eine einzige. Als diese Träne die sich kräuselnde Wasseroberfläche berührte, zersplitterte der unter dem See liegende Spiegel, und Daphne stürzte erneut in die Tiefe.

40. Kapitel
    Der zweite Sturz war nicht annähernd so gemütlich wie der erste. Zum einen fiel Daphne tief: Es entspräche etwa der Strecke, wenn man die Zufahrt eines typischen Vorort-Häuschens hochkant stellen würde (angenommen, so etwas wäre mit Zufahrten machbar). Zweitens fiel Daphne durch tiefste Dunkelheit. Und drittens war die Luft um sie herum kein bisschen warm. Sie war sogar so kalt, dass Daphne, wäre sie noch tiefer und damit länger gefallen, erfroren und beim Aufschlag auf den Boden zersplittert wäre.
    Aber das tat Daphne nicht, und weil sie auch nicht auf einem harten Boden, sondern auf einem Strohdach landete, überlebte sie. Cecil und sie brachen durch moderiges Stroh und landeten auf einem Bett. Und auf Ralph.
    Ralph hatte den Sturzflug der Geschwister auf der Bärenpfote verfolgt. Irgendwann war ihm klar geworden, dass das kleine Landhäuschen, auf das die beiden zurauschten, das war, in dem er sich befand. Schleunigst verkroch er sich unter dem Bett und behielt von dort aus das vereiste Dach im Auge. Von einer Sekunde zur nächsten löste es sich in einer Wolke aus Eissplittern und Strohhalmen in seine Bestandteile auf. Die Battersby-Kinder schlugen auf dem Bett auf. Dessen Sprungfedern katapultierten die beiden Eindringlinge sofort einmal quer durchs Zimmer.
    Als sich die Stroh- und Eiswolke verzogen hatte, bot sich Ralph folgendes Bild: Cecil klammerte sich an einen Bettpfosten, Daphne hing in einem der Wandteppiche.
    »Daphne?«, rief Ralph. »Ich bin’s, Ralph!«
    Daphne besaß tatsächlich die bewundernswerte Geistesgegenwart, ihm von oben zuzunicken.
    »Gott sei Dank!«, meinte Ralph, während er versuchte, sich aufzurappeln. Aber

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