Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)
Forderung aufgeschrieben, damit die entscheidungsbefugten Stellen sie prüfen können. Um Mitternacht werden wir unsere Geisterkönigin Annabelle ins Rennen schicken.«
Der Emissär der Eben-noch-Lebenden nahm das klamme Papier entgegen. »Du willst, dass ich dieses Schreiben Lord Gid bringe?«
»Nein«, entgegnete die untote Abgesandte, »wir möchten, dass einer der drei Zuschauer es ihm bringt.« Und mit diesen Worten stieß sie dem jetzt-noch-gerade-so-eben-lebenden Abgesandten die scharfkantigen Knochen ihrer Hand in den Bauch. Seine Eingeweide quabbelten wie Wackelpudding über die Skeletthand. Er krümmte sich und sank vornüber auf den Tisch. Die Untote schlurfte davon.
»Ralph!«, piepste Fingerfertig, als sie wieder allein waren. »Was war das denn?«
»Ich weiß nicht.« Ralph würgte. Er trat auf die Lichtung. »Aber sie hat gesagt, wir wären zu dritt.«
Er drehte sich im Kreis. »Hallo, wer ist denn da?«, rief er.
Es raschelte im Gebüsch, und wer kam heraus? Niemand anders als Beatrice, die unscheinbare, entzückende Beatrice.
54. Kapitel
Beatrice ging über den kargen Kalkboden und fühlte dem jetzt-ganz-toten-wenn-auch-eben-noch-lebenden Abgesandten den Puls. 1
»Beatrice?«, rief Ralph. »Bist du’s wirklich?«
Aber sie ignorierte ihn. Sie hastete der untoten Frau hinterher.
Ralph musste rennen, um sie einzuholen. »Wohin gehst du?«
»Allein werde ich die Stadt der Bald-Toten nicht finden«, keuchte sie. »Ich muss der Abgesandten folgen, sonst habe ich keine Chance, meine Mutter wiederzusehen.«
»Deine Mutter ist ein Zombie?«
»In der Stadt der Eben-noch-Lebenden ist sie jedenfalls nicht. Entweder ist sie untot, oder sie ist ganz verschwunden. Die Abgesandte hat doch gesagt, dass die Geisterkönigin Annabelle heißt. Jetzt kann ich herausfinden, ob es meine Mutter ist.«
Sie erreichten eine Baumreihe, die aussah, als entstammte sie einer Kohlezeichnung. »Ich muss mich beeilen«, erklärte Beatrice. »Die Spur verliert sich.«
»Ich komme mit«, verkündete Ralph entschlossen.
»Ich würde ja gern versuchen, es dir auszureden«, antwortete Beatrice, »aber ich habe ehrlich gesagt schreckliche Angst, allein zu gehen.«
»Dann mal los!«
»Aber jemand muss den Eben-noch-Lebenden das Pergament der Untoten übergeben.«
»Mach dir darüber mal keine Gedanken!«, verkündete Fingerfertig. Sie war schon hinüber zu dem toten Abgesandten gehuscht und hatte das übel riechende Papier an sich genommen. Pflichtbewusst nickte sie Ralph und Beatrice zu und schwirrte los, zurück zur Stadt der Eben-noch-Lebenden.
Beatrice und Ralph aber begannen ihre Reise ins Reich der Untoten.
55. Kapitel
Im trüben, schummrigen Licht bewegten sich unzählige Schatten, die Ralph und Beatrice mit jedem Schritt näher kamen. Formlos die einen, die anderen Silhouetten von Gestalten, die mal wuchsen, um gleich darauf wieder zu schrumpfen. Sie waren überall, drängten sich vor Ralph und Beatrice auf dem Pfad und flatterten über ihren Köpfen im Wind.
Auf ihrer Verfolgungsjagd rannten Cousin und Cousine durch Landschaften, die denen glichen, durch die Ralph auf dem Weg zur Lichtung gekommen war, aber in umgekehrter Reihenfolge und in einem verwascheneren Grau. Als sie das Ende des Pfads erreicht hatten, hatte sich die graue Düsternis verflüchtigt. Wie überbelichtet war die Landschaft in ein gleißendes Weiß getaucht, sie schien in gebleichtes Elfenbein geritzt. In diesem Weiß jedoch wimmelte es nur so von Schatten. Ralph und Beatrice hielten sich fest bei der Hand, während sie zwischen den Schatten hindurchschlüpften.
Vor einer massiven Mauer blieb die Abgesandte der Untoten stehen. Die Stadt der Bald-Toten schien sich von der der Eben-noch-Lebenden nicht groß zu unterscheiden. Nur gab es bei diesem Stadtstaat kein sichtbares Tor. Am Waldrand versteckt, beobachteten Ralph und Beatrice, wie die Abgesandte mit ihren Knochenfingern die Fugen der weißen Mauersteine betastete. Irgendwann hatte sie den gesuchten Stein gefunden, krallte ihre Finger darum, als wollte sie ihn herausziehen – und tauchte durch das Gestein. Die Mauer ließ die Untote einfach passieren, als wäre sie ein Hologramm.
»Glaubst du, dass hier irgendwo Wachen sind?«, flüsterte Ralph.
»Ich sehe keine«, flüsterte Beatrice zurück. »Vielleicht gibt es ja unsichtbare Wachen, aber wahrscheinlich werden sie uns keine Schwierigkeiten machen.«
Ralph und Beatrice versuchten an mehreren Steinen, die Finger in die Ritzen
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