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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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Jahrgang 1961, ist Leitender Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirksklinikum in Deggendorf-Mainkofen, Niederbayern. In Fachkreisen hat das Klinikum einen guten Ruf. Für Simmerl gilt das erst recht. Der auf Akutfälle spezialisierte Facharzt hat große Erfahrung. In 25 Berufsjahren hat er schon weit mehr als 5000 wahnkranke Menschen gesehen. Auch deshalb ist er ein gefragter Sachverständiger vor Gerichten. Ob Betreuungsgutachten oder forensische Gutachten, die Zahl von Simmerls Expertisen liegt im vierstelligen Bereich.
    Er soll an jenem 21. September 2007 in Straubing einen Patienten begutachten, von dem es heißt, dass er es kategorisch ablehne, überhaupt psychiatrisch untersucht zu werden. »Das wollen wir doch mal sehen«, denkt sich Simmerl und fährt los. Der Niederbayer mit dem gemütlichen Bauch und der Stirnglatze will sich nicht so einfach abwimmeln lassen und verlässt sich noch weniger gern auf Dritte. Ausschließlich nach Aktenlage begutachtet er nach eigenem Bekunden nur im Notfall. Meist sind es dann Fälle, in denen er den Patienten von früher bereits persönlich kennt. »Ich stelle mich prinzipiell beim Patienten persönlich vor und habe die Erfahrung gemacht, dass sich die meisten dann auch untersuchen lassen. Wenn nicht, sollen sie es mir selber sagen«, erklärt Simmerl. Dass Menschen Angst vor einer solchen Untersuchung haben, sei im Übrigen völlig normal und gerade nichts Auffälliges. Jeder fürchte, als psychisch kranker Mensch aus so einem Gespräch zu gehen. Oder vielmehr: als ein Mensch, über den ein Sachverständiger sagte, er sei krank.
    Etwa eine halbe Stunde fährt man mit dem Auto von Mainkofen nach Straubing. Diesmal hat das Vormundschaftsgericht Straubing (so heißen 2007 noch die Betreuungsgerichte) Simmerl mit einem Gutachten beauftragt. Es geht darum, ob ein gewisser Gustl Mollath, geboren am 7. November 1956 in Nürnberg, geistig noch in der Lage ist, seine Dinge selbständig zu regeln. Oder ob er gerichtlich unter Betreuung gestellt werden muss und künftig ein vom Gericht zu bestellender Betreuer Mollaths Angelegenheiten regelt und für ihn entscheidet. Notfalls auch gegen dessen Willen.
    Gustl Mollath sitzt in der geschlossenen Abteilung der forensisch-psychiatrischen Bezirksklinik Straubing. Er soll seine Frau geschlagen und angeblich seinen Widersachern die Autoreifen auf gefährlich-perfide Weise aufgestochen haben. Auf eine Weise, dass die Luft erst während der Fahrt langsam entwich und es zu schweren Verkehrsunfällen hätte kommen können. Die forensische Klinik, in der er nun einsitzt, ist ein extrem abgeschirmter Hochsicherheitstrakt, gesichert mit Stacheldraht, Kameras und modernsten elektronischen Überwachungssystemen. Niemand darf sich frei bewegen; jeder Besucher wird von einem Wachmann begleitet. Denn hier sitzen die ganz schweren Fälle: perverse Sexualtäter, brutale Gewalttäter, Mörder.
    Extrem gefährliche Kranke also, die in anderen forensischen Kliniken Bayerns nicht mehr weiter behandelbar waren – und sei es aus Sicherheitsgründen. Aus Straubing wird niemand direkt in die Freiheit entlassen, nicht mal für ein paar Stunden freien Ausgang. Von hier aus wird ein Insasse höchstens zurückgeschickt in die forensische Klinik, aus der er ursprünglich kam. In dieser abgeschotteten Straubinger Hochsicherheitsklinik für die Extremfälle saß in jenem Spätsommer 2007 Gustl Mollath. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte ihm ein Jahr zuvor einen für die Allgemeinheit gefährlichen Wahn attestiert. »Mollath war kein Fall für Straubing«, sagt Hans Simmerl heute. »Er war ein von seiner Persönlichkeit her sicher ein sehr schwieriger Mensch mit querulatorischen Zügen, der deshalb einen problematischen Eindruck vermittelt hat. Aber er war kein hochgradig gefährlicher Schwersttäter wie die anderen.«
    Die Sache ist sogar noch heikler. Man kann davon ausgehen, dass Mollath, wäre er wegen der ihm vorgeworfenen gefährlichen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung regulär von einem Gericht verurteilt worden, keinen Tag in Unfreiheit verbracht hätte. Denn er war nicht vorbestraft. Er wäre aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Tatsächlich hat ihn das Landgericht Nürnberg-Fürth am 8. August 2006 von diesen Vorwürfen freigesprochen. Gleichzeitig hat es aber seine Schuldunfähigkeit festgestellt und ihn wegen seines angeblich krankhaft-gefährlichen Wahns in die

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