Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
blieb er im Vorstand.
Ähnlich war es im Jahr 2005, als die HVB von der italienischen Unicredit geschluckt wurde. Zum 1. Januar 2006 stieg Wolfgang Sprißler, der zeitweilig auch Vorsitzender des Bayerischen Bankenverbands und Mitglied im Bundesverband deutscher Banken war, zum Vorstandschef der HVB auf. Obgleich Ableger einer italienischen Großbank, ist die HVB, für sich genommen und gemessen an der Bilanzsumme, bis heute die drittgrößte deutsche Privatbank nach der Deutschen Bank und der Commerzbank. Ein großes, mächtiges Haus also, und im Zeitalter der globalen Geldströme naturgemäß ein international tätiger Finanzkonzern.
Im März 2003, noch vor der Übernahme durch die Unicredit, ist das HVB-Vorstandsmitglied Wolfgang Sprißler, laut Verteiler, ranghöchster Adressat eines höchst brisanten Dokuments. Siebzehn DIN-A4-Seiten, überschrieben mit »Sonder-Revisionsbericht« und dem Vermerk »vertraulich« auf dem Deckblatt. Gut anderthalb Monate hatten interne Revisoren Vorgänge in der Nürnberger Niederlassung der HVB untersucht. Dabei waren sie auf allerhand Fragwürdiges gestoßen.
Die Untersuchung mit der Prüfungsnummer 20546 hätte es nie gegeben, hätte nicht Gustl Mollath verschiedene Briefe in die Chefetage der HVB geschickt. Am 27. November 2002 schreibt er an Dieter Rampl persönlich, den damaligen Vorstandschef der Hypovereinsbank. »Da ich alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, folgendes Problem zu bewältigen, muss ich Sie ansprechen, mit der Bitte um Hilfe und Klärung.« Seine Frau sei Anlageberaterin für vermögende Privatkunden bei der HVB in Nürnberg: »Das Problem begann Anfang der neunziger Jahre«, schildert Mollath, damals hätten deutsche Anleger begonnen, ihr Geld von der Hypobank auf deren damalige Schweizer Tochter AKB zu übertragen. Seine Frau habe ihnen dabei geholfen. An anderer Stelle schreibt Mollath, die AKB sei im Steuerparadies Schweiz »der Schwarzgeldhafen« der Hypobank für reiche Kundschaft gewesen. Ein Vertreter der AKB sei regelmäßig aus Zürich nach Nürnberg gekommen, um behilflich zu sein. Später sei der Mann zur Bank Leu gewechselt. Viele seiner Kundenverbindungen habe er mitgenommen. »Auch meine Frau brachte ihre Kunden mit deren Vermögenswerten zu einem großen Teil mit ein«, schreibt Mollath an Rampl.
Die Bank Leu ist eines der kleinen, aber ältesten Geldhäuser der Schweiz. Im Sommer 2000 gerät die Bank jedoch nicht ihrer Vergangenheit wegen in die Schlagzeilen. »Bank Leu fliegt auf«, schreibt das Finanzmagazin Focus Money am 24. August unter dem Stichwort »Steuerhinterziehung«. Deutschen Kunden drohen Hausdurchsuchungen. Sie haben ihr Geld bei der Luxemburger Dependance der Schweizer Bank angelegt, am deutschen Fiskus vorbei. »Eine Liste mit Informationen über diese Kunden ist der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft zugespielt worden«, zitiert Focus Money einen Anwalt. In der Folgezeit wird nicht viel über die Ermittlungen und deren Ergebnisse bekannt – Steuergeheimnis.
Warum bringt jemand sein Geld ins Ausland? Vor allem in Steueroasen wie Luxemburg, die Schweiz oder Liechtenstein? Man könne das niemandem verbieten, wird im Fall Mollath Jahre später die bayerische Justizministerin Beate Merk sagen. Auch die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg wird darauf verweisen, dass Überweisungen in die Schweiz per se nicht illegal seien.
Jahrzehntelang galt Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt, fast schon als der Normalfall, und zwar nicht nur bei sehr reichen Menschen. Kaum ein selbständiger Handwerksmeister oder Händler, der nicht das ein oder andere Geschäft ohne Rechnung abwickelte, schwarz also. Wer sein unversteuertes Geld nicht unterm Kopfkissen verstecken wollte, schickte es – wenn genug beisammen war – auf die Reise ins Ausland. Nicht selten wurde es bar in Länder wie Luxemburg, Liechtenstein oder die Schweiz geschafft, die Anleger nicht in erster Linie mit besonders guten Konditionen, sondern vor allem mit ihrer Verschwiegenheit locken. Was einmal dort lag, warf ordentliche Erträge ab, von denen das deutsche Finanzamt in der Regel nichts mehr erfuhr.
Hunderte Milliarden Euro deutscher Privatvermögen landeten in Steueroasen. Die Schätzungen, wie viel Schwarzgeld aus der Bundesrepublik heute noch in solchen Ländern gebunkert ist, gehen weit auseinander. 2012 äußerten Experten die Ansicht, dass allein in der Schweiz 130 Milliarden Euro Schwarzgeld aus Deutschland versteckt sind. Weltweit sollen in Steueroasen bis
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