Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Kurierfahrten gegenüber den HVB-Revisoren. Auf Nachfragen durch uns machte sie dazu keine Angaben.
In seinen Briefen an Rampl Ende 2002 bittet Mollath den HVB-Chef um Unterstützung, am liebsten um einen Gesprächstermin. Der Vorstandsvorsitzende reagiert schnell. Bereits wenige Tage später kommt es zu einem Treffen zwischen Mollath und zwei Mitarbeitern der HVB in Nürnberg. »Die waren nicht überrascht«, schildert Mollath seine Eindrücke des Gesprächs. Doch er traut den beiden Bankern nicht. »Die wollten in dem Gespräch nur prüfen, welche konkreten Beweise ich in der Hand habe, um zu klären, ob sie sich Sorgen machen müssen oder nicht. So offen und ehrlich, wie ich zu denen war, waren sie mir gegenüber nicht. Ich war sehr enttäuscht. Mir hätte es genügt, wenn die gesagt hätten, gut, wir halten Ihre Frau an.«
Gustl Mollath empfindet die Reaktion der HVB-Mitarbeiter, von denen mindestens einer vom Rang her Direktor war, als zu verhalten. Er könne da nicht viel tun, soll einer der Banker gesagt haben. Mollath wird skeptisch. Wieder jemand, den er mit seinen Vorwürfen konfrontiert und von dem er das Gefühl hat, nicht nur nicht ernst genommen zu werden. Bei ihm wächst weiter die Überzeugung, dass man seine Angaben gar nicht erst aufarbeiten will. Auch aus diesem nachvollziehbaren Misstrauen werden ihm später die bayerische Justizministerin Beate Merk und der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich einen Strick drehen. Sie werden ihm vorwerfen, er hätte ja nur mit der HVB zusammenarbeiten müssen, dann hätte sich alles aufgeklärt, dann wäre alles gut geworden.
Mollaths Wahrnehmung ist eine ganz andere: »Ich bin enttäuscht, dass von Ihrer Seite wohl keine Hilfe zu erwarten ist«, schreibt er am 6. Dezember 2002 an Vorstandschef Rampl in einem weiteren Brief. Am nächsten Tag wendet sich Mollath an den Compliance-Officer der HVB in München, den Mann also, der in der Bank für korrekte Einhaltung sauberer Spielregeln zuständig ist. Dieser Brief dürfte die Alarmglocken in der Hypovereinsbank endgültig zum Schrillen gebracht haben. Von »Insidergeschäften« schreibt er nun, von »illegalen Kurierfahrten meiner Frau in die Schweiz«, »hochspekulativen Geschäften« und von »illegalen Schweizer Geschäften«. Vor allem aber schreibt er von Schriftstücken, die in seinem Besitz seien und seine Angaben beweisen würden. Offenkundig hatte seine Frau eine Vielzahl ihrer Schweiz-Geschäfte von zu Hause aus abgewickelt. »Für die letzten zwei Jahre habe ich Berge von Belegen gefunden, obwohl meine Frau schon mit einem Lkw Belege abtransportiert hatte«, teilt Mollath dem HVB-Compliance-Chef mit. Und wohl wissend, dass amerikanische Behörden bei illegalen Geldgeschäften im Ausland besonders humorlos reagieren, warnt Mollath die HVB: Auch US-Bürger seien an den krummen Geschäften beteiligt. »Das heißt, auch amerikanisches Recht spielt eine Rolle.« Es ist ein Wink mit dem Zaunpfahl. Alle internationalen Großbanken sind auch in den Vereinigten Staaten prominent vertreten. Werden ihre Geschäfte dort unterbunden oder behindert, schlägt das massiv auf die ganze Bank durch. Außerdem: Kein europäisches Geldinstitut möchte in den USA einen Prozess verlieren angesichts der horrenden Summen, die bei Schuldsprüchen dort häufig fällig werden.
Berge von Belegen? Mollath scheint damals im Besitz vieler Unterlagen zu sein, die es wert wären, dass sich nicht nur die Bank, sondern vor allem die Staatsanwaltschaft ihrer annimmt. »Unser halbes Haus war voll von solchem Zeug«, sagt er später. An manchen Tagen sei der ganze Boden seines Büros davon übersät gewesen, und unablässig habe seine Frau das Faxgerät bedient. Zum Beispiel mit jenen immer von Hand geschriebenen Papieren, wenige Zeilen nur. Als Adressat taucht in der Regel der Name eines Schweizer Bankers auf, offenkundig der eidgenössische Widerpart von Mollaths Frau in solchen Dingen. »Bitte überweisen Sie von Konto ›Klavier 2285‹ DM 40000 auf Konto ›Selingstadt 2986‹«, heißt es da, dazu Datum, Unterschrift. Die Schweizer Konten tragen alle solche Tarnnamen. »Der Klassiker«, sagt ein in der Schweiz lebender Wirtschafts- und Bankenjurist knapp. »Die Art und Weise der Verschlüsselung deutet eindeutig auf Geldgeschäfte hin, von denen kein Dritter und vor allem kein Finanzamt etwas erfahren sollte.«
Die Codes von Schwarzgeldgeschäften in Steueroasen tragen von jeher konspirative Züge. Mit Tarnnamen zu
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