Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
operieren gehört zum Repertoire. Eine Urlaubspostkarte aus einem Schweizer Skiparadies mit vermeintlich unverfänglichen Hinweisen wie »Tante Martha lässt dich herzlich grüßen. Sie würde sich sehr freuen, wenn du sie bis Ende Mai besuchen würdest« waren in solchen Fällen nichts anderes als die Bitte des eidgenössischen Schwarzgeldverwalters an seinen Kunden, doch bitte bis spätestens Ende Mai bei ihm vorbeizuschauen, weil es etwas zu besprechen gibt.
So wie Kurierfahrten mit Bargeld in die Schweiz ein untrügliches Indiz sind, dass eben nicht sauber versteuertes Geld in der Alpenrepublik angelegt wird. Gustl Mollath behauptet, er sei selbst bei solchen Kurierfahrten seiner Frau dabei gewesen. Dafür habe sie sogar ihre Arbeitszeit bei der HVB in Nürnberg reduziert, um immer freitags in die Schweiz fahren zu können. Auf Anfragen von uns macht sie dazu keine Angaben; gegenüber den HVB-Revisioren bestritt sie solche Fahrten.
Für die internen Ermittler erweist sie sich als harter Knochen. »Man hat kaum etwas über ihre Schweizer Geschäfte aus ihr herausgebracht«, sagt einer, der den Vorgang gut kennt. Die Prüfer beklagen, dass sich die Frau Mollaths »wenig kooperativ« zeige, als es um die Aufarbeitung ihrer Tätigkeit geht. Sie habe verlangt, ihr alle Fragen schriftlich vorzulegen, um diese vorab juristisch zu prüfen, ob sie überhaupt antworten müsse. »Erst nach intensiven Gesprächen zeigte sie sich überhaupt bereit, einen Teil unserer Fragen zu beantworten«, heißt es im Revisionsbericht.
Mollaths Briefe an Rampl und den Compliance-Officer haben die HVB zum Handeln veranlasst. Am 15. Januar 2003, etwa anderthalb Monate nach Mollaths Brief-Bombardement an die HVB-Spitze, rücken die internen Revisoren in der Nürnberger Filiale an. Bis zum 5. März dauert ihre Untersuchung. Parallel zu ihren Untersuchungen vor Ort nehmen die Revisoren auch Kontakt zur Bank Leu in Zürich auf. Die HVB erkennt also die Brisanz der Mollath’schen Vorwürfe, und sie legt sich ins Zeug, um diese aufzuklären.
Naturgemäß bekommt Gustl Mollath von alledem im Detail nichts mit. Die Überprüfung ist schließlich eine Art geheime Kommandosache. Immerhin teilt die Bank mit, dass sie ihre innere Revision eingeschaltet hat, die ihre Ermittlungen bereits aufgenommen hat. Der entsprechende Brief des Zentralbereichs Recht der HVB an Mollath datiert vom 2. Januar 2003. Das Schreiben ist wohl in erster Linie dazu bestimmt, Mollath ruhigzustellen – und ihn vorsichtshalber in die Schranken zu weisen.
Denn der hat nicht den Eindruck, dass seine Hinweise irgendetwas bewegen. Es kommt, um es vorsichtig auszudrücken, zu erheblichen Kommunikationsproblemen. Immer heftiger und wütender wirft Mollath der Bank Untätigkeit vor. Die HVB wiederum betont, sie habe häufig vergeblich versucht, zu Mollath Kontakt aufzunehmen, um weitere Details zu erfahren, womöglich auch die Belege zu sehen oder zu erhalten, die in seinem Haus lagern. Doch der habe nicht reagiert und sich weiteren Gesprächen verweigert. Am 19. Februar 2003 erklärt er der Bank, zu keiner Zusammenarbeit mehr bereit zu sein.
Mollath sagt, die HVB habe nicht adäquat reagiert, und er zweifelt an ihrem Aufklärungswillen. Er reagiert verärgert, die Bank auf ihre Weise: »Wir haben bislang keinerlei Anhaltspunkte, dass Frau Mollath in illegale Geschäfte verwickelt ist«, schreibt die HVB-Rechtsabteilung am 2. Januar 2003 an ihren Mann. Etwas voreilig, denn die Revision soll schließlich erst dreizehn Tage später beginnen. Doch obwohl man nichts weiß – für eine Drohung an Gustl Mollath reicht es: »Wir haben Sie aufzufordern, von weiteren unbewiesenen Anschuldigungen gegen unsere Bank und die Bankmitarbeiter abzusehen, insbesondere, sofern diese gegenüber weiteren Banken oder anderen unbeteiligten Personen geäußert werden. Andernfalls sehen wir uns gegebenenfalls gezwungen, gerichtliche Schritte gegen Sie einzuleiten, um Ihre Behauptungen – zumindest solange sie nicht bewiesen sind – zu unterbinden«, heißt es in dem Schreiben der HVB-Rechtsabteilung.
Ein Einschüchterungsversuch? Eine Vorsorgemaßnahme, damit sich gegebenenfalls falsche Anschuldigungen nicht ausbreiten? Wohl beides. Die Bank fürchtet von Anfang an massiv um ihren Ruf. Womöglich ist das ein Grund, weshalb man den Revisionsbericht geheim halten wird. Mögliche staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, noch dazu gegen angesehene Kunden, wären wenig imagefördernd gewesen und hätten
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