Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
Vom Netzwerk:
belegt werden könnte.« Es gibt also keinen Beleg. Aber mögliche Halluzinationen hören sich natürlich schon substanziell und schwerwiegend an. Auch vor Gericht.
    Leipziger erörtert nun noch einen »zunehmenden sozialen Rückzug« und »eine Abschottung von der Umwelt« Mollaths. Und führt dies auf Mollaths »krankhaft misstrauische Haltung« zurück, die wiederum auf dessen »paranoides Erleben« zurückzuführen sei. Dass der Rückzug Mollaths mit der wirtschaftlichen und privaten Malaise zu tun haben könnte, bleibt unerwähnt. Da für ihn aufgrund seines wahnhaften Rückzugs »kein Korrektiv der Realität mehr zur Verfügung« stehe, sei künftig sogar »eine Progredienz dieser krankheitswertigen paranoiden Symptomatik« zu befürchten. Zu Deutsch: Sollte es nicht schon schlimm genug sein mit Mollaths Paranoia – es könnte zumindest noch richtig schlimm werden.
    Leipziger kommt zum Ergebnis: Mollath leide unter einer »paranoiden Symptomatik«, mindestens einer wahnhaften Störung. Es ergäben sich »keine Alternativen« zur Unterbringung Mollaths in einer psychiatrischen Klinik. Eine Alternative sei allenfalls die Einrichtung einer Betreuung.

Leipzigers Gutachten aus Kollegensicht
    Im Februar 2012, sieben Jahre nach Entstehung des maßgeblichen Gutachtens im Fall Mollath, hat der Bonner Professor für Psychiatrie Klemens Dieckhöfer das Gutachten Leipzigers methodenkritisch analysiert. Dieckhöfer ist seit 1972 Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, seit 1979 ist er Professor für Psychiatrie an der Universität Bonn, seit 1986 ist er als Gerichtsgutachter tätig. »Einige hundert Gutachten« habe er seither selbst geschrieben. Ein solches Gutachten wie das von Leipziger habe er aber in den mehr als 25 Jahren seiner eigenen Gutachtertätigkeit nie gesehen.
    »Das ist so bizarr«, sagt Dieckhöfer, das habe er sich so zuvor nicht vorstellen können. Leipzigers Gutachten sei ein Dokument der »schieren Unwissenschaftlichkeit«. Das ist sehr hart. Wohlgemerkt: Dieckhöfer gehört nicht etwa dem Unterstützerkreis für Mollath an. Ihm war der Fall im Jahr 2011 lediglich zugetragen worden.
    Dieckhöfer schreibt in seiner Analyse des Leipziger-Gutachtens: Dieser habe die Behauptung von Mollath, »dass seine Frau Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz durchführe, mit keinem Sterbenswörtchen recherchiert«. Trotzdem seien diese Äußerungen von Mollath »als paranoides Gedankensystem klassifiziert« worden. Man halte fest: Dieckhöfer hat seine Beurteilung des Gutachtens im Februar 2012 geschrieben, mehr als ein halbes Jahr bevor der Inhalt des HVB-Berichts bekannt wurde.
    Nur war eben Dieckhöfer bekannt, dass »eine ganze Reihe von deutschen Banken, zumal solche mit Tochterbanken in der Schweiz«, in der von Mollath beschriebenen Zeit »Geldverschiebungen geradezu professionell betrieben«. Außerdem hatte Mollath ja seinen Schnellhefter vor Gericht abgegeben, der nach Auffassung Dieckhöfers eine überaus deutliche Sprache gesprochen habe – dafür nämlich, dass da ein Insider über die Geschäfte seiner Frau Rechenschaft ablegt.
    »Abwegig« nennt Dieckhöfer die Feststellung »angeblicher paranoider Größenideen« – aufgrund eines von Mollath geschriebenen Briefes an das Amtsgericht Nürnberg. Eine solche diagnostische Feststellung wäre nur dann zulässig, schreibt er, wenn die Aussagen über Schwarzgeldverschiebungen keinesfalls der Wahrheit entsprochen hätten. Und wenn Mollath »in einer chronifizierten Zuspitzung eines echten Wahnsystems« trotzdem unkorrigierbar darauf beharrt hätte. Solange aber jegliche einschlägige Recherche »in gera-dezu unverständlicher Weise« unterlassen worden sei, könne »keine der diagnostischen Behauptungen« Leipzigers als stichhaltig gelten. Keine einzige!
    Am Ende versteige sich Leipziger in »wissenschaftlich unzulässige Vermutungen«, und das offenbar, um »seine Diagnose einer Wahnkrankheit beziehungsweise schizophrenen Erkrankung weiter zu festigen«. Dieckhöfer stellt ab auf die Spekulationen Leipzigers über Halluzinationen Mollaths, die Leipziger selbst einreißt: Er bringt Mollath ja zunächst mit Halluzinationen in Verbindung, räumt aber en passant ein: »Ohne dass diese Annahme konkret belegt werden könnte.« Das Urteil über Leipzigers Gutachten fällt vernichtend aus: »Solche Behauptungen, die gleichzeitig wieder zurückgenommen werden, entsprechen keinem wissenschaftlichen Standard und sind auch insofern für jeden urteilenden Richter

Weitere Kostenlose Bücher