Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
Vom Netzwerk:
Er, Mollath, verstehe sich als Opfer der Justiz und von Sachverständigen. Eines aber scheint ihm schon in Straubing zur Verfügung zu stehen: Ironie. Offenbar als Weg, die Verhältnisse halbwegs zu ertragen, ohne aggressiv zu werden. Gleichsam Psychohygiene.
    Im Hochsicherheitskrankenhaus von Straubing wird dieses Stilmittel nun – übernommen in Kröbers Gutachten – wie folgt eingeordnet: »Seine Grundhaltung sei antitherapeutisch verfestigt und von einer in paranoider Weise die Realität verkennenden Ironie geprägt.« Na also, ist man geneigt zu sagen: Nach Schwarzgeld und Kernseife kommt hier nun offenkundig noch ein weiteres Paranoia-Indiz hinzu. Der Mann verwendet Ironie.

Kröber über Simmerl
    Nach der Aktenlese kommt Kröber zum Psychiater Hans Simmerl, und man darf sagen, dass der Niederbayer dabei alles andere als gut wegkommt. Das Gutachten von Simmerl, so fängt es bei Kröber schon mal an, »fällt auf«. Wodurch? Es berücksichtige, nach Kröbers Einschätzung, offenbar nur einen sehr beschränkten Teil der aktenkundigen Vorgeschichte. Überhaupt stütze sich dessen Gutachten im Wesentlichen »auf die einmalige Exploration des Probanden am 21. September 2007«. Der folgende Satz Kröbers vermag zu verblüffen: Es sei dies immerhin »die einzige psychiatrische Exploration in den letzten Jahren«. Welche Rückschlüsse zieht er nun daraus?
    Rückschlüsse keine, jedenfalls keine ersichtlichen, aber eine Einschränkung. Kröber stellt fest: Allerdings habe Simmerl am Ende der Exploration nicht zu sagen vermocht, ob die von Mollath vorgetragenen Sachverhalte der Realität entsprächen oder nicht. Zumal er »diese Angaben eben nicht mit Akteninhalten abgeglichen« hätte.
    Das ist eine der komischsten Feststellungen im Fall Mollath. Denn hätte Simmerl die Angaben Mollaths mit dem Akteninhalt abgeglichen. Dann hätte es tatsächlich gut sein können, dass Simmerl bei flüchtiger Lektüre die Vorgeschichte Mollaths womöglich wirklich ganz anders aufgeschrieben hätte. Denn die Akten im Fall Mollath sind über weite Strecken inhaltlich eine Katastrophe. Einen so groben Unsinn wie seine Wiedergabe der Festnahme Mollaths dürfte Kröber in seiner professoralen Karriere selten niedergeschrieben haben. Natürlich: Seine Schuld ist das nicht. Er muss sich darauf verlassen können, dass bayerische Richter Protokolle richtig abschreiben können. Aber so sehen im Fall Mollath eben die Akten aus.
    Die Nicht-Lektüre der Akten wäre insofern nicht die schlechteste Voraussetzung, sich einmal wirklich einzulassen auf Gustl Mollath. Und der Wahrheit in der Sache damit womöglich ein bisschen auf die Schliche zu kommen. So wie Simmerl. Denn das, was Mollath im September 2007 Simmerl erzählt hat, das war in nahezu allen nachprüfbaren Fakten aus heutiger Sicht schon sehr nah dran an der Wirklichkeit. Kröber hat in seinem Artikel »Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung« grundsätzlich formuliert: »Der Gutachter benötigt die Akten. Ideal wäre es, wenn er alle verfügbaren Akten über den Probanden erhielte.« Und er stellt fest: »Die Qualität eines kriminalprognostischen Gutachtens steht und fällt mit der Sorgfalt des Aktenstudiums.« Hört sich wie eine Banalität an. Ist aber offenkundig keine. Und sie gibt es möglicherweise auch in dieser Variante: dass nämlich die Qualität des Gutachtens deutlich sinken kann mit der Sorgfalt des Aktenstudiums. Dann nämlich, wenn in den Gerichtsakten handfeste Dummheiten stehen, wenn Fehler gemacht wurden, schludrig gearbeitet wurde bis zur Arbeitsverweigerung.
    Den folgenden Absatz Kröbers über seinen niederbayerischen Kollegen lohnt es sich besonders anzuschauen. Dr. Simmerl habe offenbar die Lesart bevorzugt, dass die Angaben von Mollath nicht wahnhaft, sondern wahrheitsgetreu seien. Vor allem die Annahme, dass dessen Exfrau an Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz beteiligt gewesen sei. Simmerl habe also das Scheitern der Ehe eher auf angebliche kriminelle Handlungen der Ehefrau zurückgeführt, während dieses Scheitern doch eher auf Mollaths geschäftliches Unvermögen und die daraus resultierende Eifersucht auf die erfolgreiche Ehefrau zurückzuführen sei. Meint offenbar zumindest Kröber.
    Wird hier gerade einem Menschen, den man im Leben nie kennengelernt hat, in die Ehe hineingerätselt? In einem Gutachten mit wissenschaftlichem Anspruch? Und attestiert da einer diesem Menschen, mit dem er nie gesprochen hat,

Weitere Kostenlose Bücher