Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
anfangs grenzwertig gehoben gewesen sei.
Natürlich geht auch das Thema Kernseife ein in das Gutachten nach Aktenlage. Sehr demonstrativ habe sich Mollath verweigert, sich zu waschen: »Er werde sich nur mit Kernseife waschen, alles andere habe Zusatzstoffe.« Wohlgemerkt: Das war so während zweier Wochen zu Beginn des Jahres 2005. Das Gutachten Kröbers entsteht im Juni 2008. Mehr als drei Jahre später. Dass am 19. Februar 2005 in den Bayreuther Klinikakten vermerkt worden sei, dass »Herr Mollath bestialisch stinke« – auch das steht in Kröbers Gutachten.
Die krankhaft überzogene Sorge um die Gesundheit und die Ablehnung der meisten Körperpflegemittel finden sich dann auch wieder – übernommen aus dem Gutachten Leipzigers – als Teil des paranoiden Gedankensystems. Ebenso wie das zentrale Thema dieses Systems: der Schwarzgeldkomplex. Und die paranoiden Größenideen in dem einen Brief (an den Nürnberger Amtsgerichtspräsidenten).
Auch der Verdacht auf Halluzinationen – man erinnert sich: die innere Stimme Mollaths – findet über Leipziger seinen Weg zu Kröber. Und die Einschätzung, ebenfalls nach Leipziger, dass »mit Sicherheit« bereits seit Jahren eine sich zuspitzende paranoide Symptomatik bestehe. Es lohnt an dieser Stelle vielleicht noch einmal die Erwähnung: Kröber kennt Mollath gar nicht.
Der grobe Unsinn, wonach Mollath am 27. Februar 2006 in seinem Haus in Nürnberg festgenommen wurde, findet sich ebenfalls in Kröbers Gutachten. Im Indikativ, ohne dass darauf verwiesen ist, dass diese Falschdarstellung auf dem Mist des Nürnberger Landgerichts gewachsen ist.
Neues aus den Akten gibt es aber auch bei Kröber. Es geht um die Schriftstücke, die mit Computer geschrieben sind. Und zwar in unterschiedlichen Schriftgrößen und mit eingefügten handschriftlichen Unterschriften. In Aufbau und Argumentation erinnerten Kröber diese Schreiben »an entsprechende Schriftstücke psychosekranker Menschen«. Ohne Frage: Diese Schriftstücke Mollaths sind ästhetisch nicht eben ein Lesevergnügen. Aber »unterschiedliche Schriftgrößen« mit »eingefügten handschriftlichen Unterschriften« als Indiz für eine Psychoerkrankung? Hoppla. Da sehen sich Besitzer von Computern und allgemein Werbegrafiker aber künftig ernsthaften Gefahren ausgesetzt.
Eines kann man gar nicht genug betonen: Hier soll ein Gutachten für den Mollath des Jahres 2008 erstellt werden. Die schriftlichen Quellen aber, die herangezogen werden, sind zum Teil fünf Jahre alt. Könnte es nicht sein, dass ein Mensch sich verändert hat in dieser Zeit? Zumal wenn die Schriftstücke ohne Frage aus einer Zeit großer Verwerfungen und einer tiefen privaten Krise stammen?
Erwähnenswert findet Kröber auch, dass Mollath in diesen Schriftstücken gegen die Justiz, aber auch gegen die bayerische Staatsregierung kämpft. Und er »im Grundsatz alle von ihm benannten Gegner in einer gemeinschaftlichen Verschwörung, die einen Eckpunkt in der Schwarzgeldverschiebung in die Schweiz hatte«, verstrickt sehe, »die von allen Beteiligten vertuscht werden« solle, wie Kröber schreibt. Das kann man so sehen, zumindest »im Grundsatz«. Nur: Konnte man Mollath das mit seiner Geschichte verdenken? Und hätte man diese Geschichte nicht vor allem erst mal kennen müssen?
Aus Kröbers Gutachten sind auch Details über Mollaths Aufenthalt im hochgesicherten Bezirkskrankenhaus Straubing zu erfahren: Mollath verharre in einer Protest- und Verweigerungshaltung. Das mag angesichts seiner Geschichte nicht verblüffen. Verblüffen muss eher, wie diese Haltung einer aushalten kann für so lange Zeit.
Er verweigere auch die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Arbeitstherapie und ziehe stattdessen eine Beschäftigung auf dem Zimmer vor. Mollath bestätigt dies: Die Tätigkeiten, für die er sich in der Straubinger Arbeitstherapie hätte erwärmen sollen, hätte er als eintönig empfunden, die kleinteiligen Tätigkeiten hätten ihn tatsächlich schwer belastet. »Ich habe jede Drecksarbeit während meines Studiums ge-macht«, es gehe beileibe nicht darum, dass er sich zu fein für irgendetwas sei. Aber eine Tätigkeit, die ihn schwer belastet, auch noch als Arbeitstherapie ausgelegt zu wissen, das habe er nicht akzeptieren können. Mollath hat eine Maschinenbauausbildung, in Straubing sollte er »lediglich Vorhangrädchen klicken«. Das habe er abgelehnt.
Auch Straubing attestiert Mollath keinerlei Krankheitsgefühl, geschweige denn Krankheitseinsicht.
Weitere Kostenlose Bücher