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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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Behandlungsphase so viel Effekt zu erzielen«, dass sich Mollath, der eine Therapie ablehnt, »schließlich zu einem kooperativen Verhalten entschließen könnte«.
    Vorletzter Satz des Gutachtens: In Simmerls Gutachten werde unzutreffend angenommen, dass die »Überzeugungen des Probanden nicht wahnhaft sind, sondern der Realität« entsprächen.
    Mollath kam 2009 wieder nach Bayreuth zurück. Zum Chefarzt Leipziger.

Bezirkskrankenhaus Bayreuth, Dienstag, 30. November 2010
    Am 30. November 2010 stellt sich Friedemann Pfäfflin bei Mollath vor, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Ulm, dort auch Professor. Es ist das erste externe seit Kröbers Gutachten nach Aktenlage. Mollath will mit Pfäfflin sprechen. Unangenehmer als das, was Kröber vom Schreibtisch in Berlin aus produziert hat, kann das Gutachten eines externen Sachverständigen für ihn auch nicht ausfallen. Es wird ein Gespräch mit Folgen.
    Man trifft sich im Besucherzimmer der Station FP 6. Pfäfflin hält sich dort von 10 bis 19 Uhr auf. Er spricht nicht nur mit Gustl Mollath, sondern er liest auch dessen Krankenakte, studiert drei Bände sogenannter Vollstreckungshefte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth und spricht sowohl mit dem Oberarzt als auch der Stationsärztin über Mollath.
    Für sein anschließendes Gutachten braucht Pfäfflin gut zwei Monate; es stammt vom 12. Februar 2012. Er listet zunächst einige Dokumente aus der Klinik auf, am Anfang gleich eine Beschwerde Mollaths vom 8. September 2009. Mollath habe sich über Schlafentzug bei nächtlichen Kontrollen beschwert, die er als Folter qualifiziere. Das erstaunt. Denn über diese Beschwerde hat man in den internen Stellungnahmen des Bezirkskrankenhauses an die Strafvollstreckungskammer nichts gelesen. Warum? Ist die Tatsache, dass sich da einer über Schlafmangel beschwert, darüber, dass er mehrfach in der Nacht aufgeweckt wird, nicht erwähnenswert? Spielt das keine Rolle, wenn man als Klinik darüber räsoniert, wie es da einem Menschen geht und warum sich dieser Mensch möglicherweise ungerecht behandelt fühlt? Und dieser Mensch dann, überzogen, aber zumindest im übertragenen Sinn nachvollziehbar, in seiner Wut formuliert: Er werde mit Schlafentzug »gefoltert«.
    Aber: Stimmt das überhaupt, gibt es tatsächlich solche Schlafunterbrechungen? Mollath beklagt sich in der Tat, auch heute noch mehrmals pro Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden. Das hört sich unglaubwürdig an. Jeden Menschen dürften Schlafunterbrechungen in seinem Seelenheil beeinträchtigen. Und in einem Bezirkskrankenhaus geht es doch darum, dass die Seele gesundet – oder nicht? Leipziger antwortet schriftlich: »Bei Patienten der Klinik für Forensische Psychiatrie finden – wie in psychiatrischen Krankenhäusern geboten, auch aus Fürsorgeverpflichtung gegenüber den Patienten – nächtliche Kontrollen durch die Mitarbeiter statt, bei denen allerdings besondere Rücksicht auf den Schlaf der Patienten genommen wird.« Das ist schön und beruhigend, könnte man jetzt sagen, dass da besondere Rücksicht auf den Schlaf der Patienten genommen wird. Aber bei Mollath nutzt das offenbar nichts. Er werde immer wieder gestört, sagt er, wache auf und könne dann nicht mehr einschlafen.
    Manchmal habe er morgens auf den Hofgang verzichtet. Allein, um ausschlafen zu können. So sehr schlauchten ihn die ständigen Nachtkontrollen. Das ist kein Grund für eine Erwähnung in den internen Stellungnahmen an die Strafvollstreckungskammer, wo doch jede Konfliktsituation auf das akribischste aufgeschlüsselt wird? Wäre das nicht vielleicht ein Grund, warum sich einer gelegentlich nach all den Jahren nicht mehr permanent im Griff hat? Offenkundig nicht. In der Pflegedokumentation wird im Mai 2010 berichtet, Mollath habe nachts um 2:30 Uhr »bei der Zimmerkontrolle« laut geschrien und das Personal beschimpft. Kann man sich wirklich nicht vorstellen, warum?
    Immerhin, bei Pfäfflin findet sich ebendie Beschwerde über die Schlafsituation. Allerdings wird sie nur genannt, nicht ausgeführt oder gar diskutiert.
    Eine zweite Erwähnung verblüfft: In der Lockerungskonferenz der Klinik in Bayreuth habe man im November 2010 »keine von [Mollath] ausgehende Allgemeingefährdung gesehen und keine Fluchtgefahr« festgestellt. Erstaunlich, keine Allgemeingefährdung. Ein kleiner Satz, eine winzige Bemerkung in einer Dokumentation. Aber war »Allgemeingefährdung« nicht mal der Anlass für die Einweisung? Es folgt die

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