Die Affen von Cannstatt (German Edition)
lehnt in seiner Feuerwehrschlauchschlinge am Fenster. Ein mächtiges Tier.
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagt Weber, »ich wollte Sie nicht erschrecken.« Sein Lächeln zeigt nur wenig Verlegenheit. »Aber meine Einbildungskraft schlägt mir leider zuweilen ein Schnippchen.«
Was hat er sich denn eingebildet?, frage ich mich. Dass seine Hyäne ihn den Affen zum Fraß vorwirft?
»Ich dachte immer«, sagt sie spöttisch, »die Bonobos seien die netten Hippies unter den Affen. Sex statt Krieg.«
»Aber sie jagen auch«, antworte ich. »In freier Wildbahn jagen sie andere Affen.«
»Wollen Sie im Ernst behaupten«, fährt Weber entrüstet hoch, »diese Biester hätten einen ausgewachsenen Mann als Jagdbeute betrachtet?«
»Sicher nicht«, sagt Heidrun hastig. »Bestimmt nicht. Ausgeschlossen.«
»Aber was zum Teufel ist da drin passiert?«, fragt Nerz. »Ich hoffe, du kannst uns das erklären, Camilla.«
»Ich habe nie behauptet, dass ich das könnte.«
»Oh, diese entzückende schwäbische Bescheidenheit!«, ruft sie. »Da hat eine stundenlang diese Viecher beobachtet, kennt sie besser als die Revierpflegerin, aber wir dürfen ja nicht glauben, dass sie uns darum etwas Besonderes zu sagen hätte.«
Alle schauen mich an.
»Nun ja. Ich habe einmal beobachtet, wie eine Äffin – Mara – das neue Baby ihrer Mutter ins Wasserbecken getaucht hat.«
»Du meinst, sie wollte ihre Schwester ertränken?«, vergewissert sich die Hyäne.
»So sah es zumindest aus.«
»Und, hat sie es geschafft?«
»Nein. Ihre Mutter Zete hat ihr rechtzeitig das Baby weggenommen.«
»Und was ist danach passiert?«
»Nichts weiter. Es gab keine Szene, falls Sie das meinen.«
Ein spöttisches Lächeln huscht über ihr Gesicht. Ich ärgere mich, dass ich sie gesiezt habe, wie eine Schülerin, die sich noch nicht vorstellen kann, dass sie ebenfalls erwachsen ist.
»Sie haben Sex gemacht, und gut war’s?«
»So ungefähr«, antworte ich.
Sie lacht lüstern. »Und Freitagnacht, wie ist das abgelaufen? Deutschbein gerät irgendwie in den Käfig, große Aufregung, dann Sex, um sich zu beruhigen. Und dann machen sie gemeinsam Jagd auf ihn?«
Heidrun schüttelt den Kopf. »Jagd nicht …«
»Immerhin habt ihr eine Äffin in der Gruppe, die aus Eifersucht ihr Schwesterchen …«
»Mara ist nicht mehr da«, werfe ich ein.
»Wir haben sie vor zwei Jahren an einen Zoo in Belgien abgegeben«, erklärt Heidrun. »Bei den Bonobos müssen die Frauen die Gruppe verlassen, wenn sie geschlechtsreif sind.«
»Ach. Warum das denn?«
»Ein natürliches Verhalten, um Inzest zu vermeiden.«
»Aber«, widerspricht Richard in seinem gepflegten Honoratiorenschwäbisch, »solange die Söhne beim Trupp bleiben, ist Inzest nicht ausgeschlossen. Sie könnten ihre Mütter schwängern.«
»Richtig«, stimmt die Hyäne ihm zu. Beide gucken Heidrun und mich herausfordernd an.
»Und bei den Gorillas kann der Vater seine Töchter besteigen«, antworte ich. »Allerdings bestimmen in der Bonobogruppe die Frauen, wer sie schwängert. Kein Mann kann sie zwingen. Und eine Mutter hat eher Interesse daran, dass ihr Sohn die hübsche junge Frau erobert, die neu in die Gruppe eingewandert ist. Man hat beobachtet, dass der Sohn der ranghöchsten Äffin meistens zum Zug kommt, wenn sie sich in seiner Nähe aufhält.«
»Ach herrje!«, stöhnt Lisa Nerz exaltiert. »Wenn ich mir vorstelle, meine Mutter sitzt an meinem Bett und passt auf, dass der Samenerguss meines Lovers nicht danebengeht, damit sie endlich einen Enkel bekommt.« Sie lacht, ihr Blick blitzt zu dem Mann hinüber.
Er verzieht keine Miene. Was findet ein kultivierter Mann an so einer? Was hat sie, was ihn so in Bann schlägt, dass er sich von ihr öffentlich als zeugungsunfähige Memme vorführen lässt? Was ist das nur mit den Männern? Wieso stehen sie so blöde auf blond, wie Schmaleisen oder Till, und wieso steht der Schöne auf wüst?
»Genau das ist der Sinn«, sage ich. »Auf die Weise sorgen die Mütter dafür, dass ihre Söhne ihre Gene weitergeben.«
»Aber ein bisschen erbärmlich ist die Rolle der Männer schon bei den Bonobos, oder?«, konstatiert Nerz.
»Ach, das finden Sie bemerkenswert?« Ich lasse mich hinreißen. »Bei den Schimpansen sind es die Frauen, die ums Futter betteln und in Angst leben. Doch niemand bedauert sie. Das Terrorregime der alten Männer und Jugendbanden erscheint uns natürlich und selbstverständlich.«
»Oha!« Lisa Nerz lacht laut heraus. »Dass ich das
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