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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ist.«
    Nerz runzelt die Stirn. »So viel zu den friedlichen Bonobos.«
    »Da sollten Sie sich aber mal die Paviane anschauen«, bemerkt Heidrun. »Dann wissen Sie, wie es in Affenhorden zugeht. Da herrschen ständig Geschrei und Prügeleien. Die Besucher lieben das.«
    Ich nicke. »Das Problem bei der Zoohaltung ist leider, dass das Mobbingopfer nie weit genug fliehen kann. Also wird es gebissen.«
    »Im neuen Affenhaus wird das anders werden«, erklärt Heidrun. »Da können sie sich auf fünf Gehege verteilen.«
    »Und Njema ist auch ein bisschen blöd«, räume ich ein. »Er schläft gern mit dem Kopf an der Scheibe, aber es ärgert ihn, wenn die Besucher dranklopfen. Manchmal hatte ich den Eindruck, er sucht negative Gefühle, weil er sie besser empfinden kann als Harmonie. Früher hat er sich auch die Haare ausgerissen.« Wieder bemerke ich, dass Weber mich aufmerksam anschaut.
    »Ein Masochist?« Die Hyäne lacht. »Ich schätze, er ist nicht der Initiator einer Jagd auf Deutschbein, oder? Könnte es … mein Gott, wie heißen die alle … der Richard so angehimmelt hat.«
    »Heri? Nein«, sagen Heidrun und ich gleichzeitig.
    »Verstehe. Ein Mann initiiert gar nichts im Matriarchat der Bonobogruppe.«
    »Vor allem schlafen sie nicht bei den Frauen im Gehege.«
    »Ach so, ja. Es waren also ausschließlich die Weiber, die Deutschbein gekillt haben.« Endlich hat sie es begriffen. »Haben sie eine, wie sagt man, Anführerin, eine Königin?«
    »Alma«, antworte ich. »Das ist die mit der Stirnglatze.«
    Die beiden machen keinen Versuch, aufzustehen und wieder zu den Bonobos hinunterzugehen. So viel zu ihrem Interesse an den Affenpersönlichkeiten.
    »Aber sie ist eine ganz ruhige«, fahre ich fort. »Sie ist sehr alt. Vermutlich tun ihr die Muskeln und Gelenke weh.«
    »Sie lässt schon mal fünfe gerade sein«, ergänzt Heidrun.
    »Okay«, sagt Nerz. »Und wie ist das, wenn sie Gefahr sieht? Überhaupt, wenn die Horde sich bedroht fühlt?«
    »Dann geht es ab«, antwortet Heidrun. »Bonobos sind genauso wehrhaft wie Schimpansen.«
    »Auf ihn mit Gebrüll«, sagt die Hyäne grinsend.
    Wir nicken.
    »Wenn Deutschbein sich beispielsweise eines der Kleinen gegriffen hätte?«, fragt sie weiter.
    »Warum hätte er das tun sollen?«, entfährt es mir. Was könnte Till geritten haben, sich an Affenkindern zu vergreifen? Höchstens, dass er … Nur so ein halber Gedanke, der sich auf einmal im Kopf bildet und mir entgleitet, sobald ich ihn zu fassen versuche. Schon ist er weg, verscheucht von meiner Erregung, dort könnte der entscheidende Hinweis versteckt sein. Ich versuche ihn zurückzuholen, aber es gelingt mir nicht.
    »Das hätten sich die Frauen nicht gefallen lassen«, sagt Heidrun. »Im Kongo muss man ganze Bonobogruppen vergiften, wenn man ihre Kinder stehlen will.«
    »Und was passiert mit denen?«, fragt Weber mit einer gewissen Ängstlichkeit in der Stimme.
    »Sie werden auf Märkten als Haustiere verkauft, an reiche Afrikaner, Amerikaner, aber auch Europäer. Anfangs sind sie niedlich, später verkümmern sie in viel zu kleinen Käfigen. Wenn sie Glück haben, landen sie in einem europäischen oder amerikanischen Zoo. Die anderen werden gegessen. Bonobos gelten als Delikatesse. Der Jäger bekommt viel Geld für einen Bonobo.«
    Der Staatsanwalt schaut Heidrun erschrocken an.
    »Also läuft jetzt alles drauf hinaus«, resümiert Lisa Nerz laut, »dass radikale Tierschützer hier ein Exempel mit einem Menschen statuiert haben.«
    Weber reagiert routinemäßig. »Reine Spekulation, Lisa. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen ist nichts bekannt über Kontakte Deutschbeins in den Kongo oder eine Beteiligung an illegalem Handel mit Wildtieren. Und die Polizei hat bislang auch keine Beziehungen Deutschbeins zu radikalen Tierschützern ausmachen können.«
    Das weiß ich besser, behalte es aber für mich. Vor einigen Jahren hatte Till definitiv Kontakt zu einer Tierschützerin, die vermutlich anschließend mit ihren Leuten in die Wilhelma eingedrungen ist. Ich nehme mir vor, morgen oder übermorgen in den Tauben Spitz zu gehen. Vielleicht arbeitet sie noch dort. Und vielleicht kann sie mir etwas erzählen, das erklärt, warum Till zu den Bonobos reingegangen ist. Oder wann und zu welchem Zweck er sich den Schlüssel besorgt hat.
Es schneit. Sie zünden sich, kaum sind wir vor das Affenhaus getreten, Zigaretten an.
    Ich frage mich, was genau diese Nerz und ihr eleganter Adlatus in der Angelegenheit für ein

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