Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)
sein«, sagte Beobachterin Catriona.
Die Dunkelheit geriet in Bewegung. Es handelte sich um ein Video, das er tatsächlich kannte, nämlich den Bericht vom Zusammenstoß zwischen der Flottille für Leben und Frieden und einem Hegemonie-Kreuzer an der Grenze von Metraj. Die Warnfunksprüche, die Videoauszüge von Bord der Pax Terra , auf denen auch Rosa zu erkennen war, der Kreuzer, der das Feuer eröffnete, die Explosionen und die grauenhaften Bilder von Bord des kleineren Raumfahrzeugs. Der Vorfall hatte sich vor über einem Jahr ereignet, doch noch immer rief der Zusammenschnitt bei ihm schmerzhafte, abgrundtiefe Trauer hervor.
Die Aufzeichnung endete mit einem Blick auf das lecke, von Detonationen zerrissene Wrack des Friedensraumers Pax Terra , dann verschwand die Holoprojektion. Robert atmete stockend ein und wieder aus und rang um Fassung.
»Zahlreiche Faktoren haben zu dieser Tragödie geführt«, sagte Beobachterin Catriona. »Dazu zählt vor allem das Verhalten von Rosas Vater Robert Horst. Als hohem Diplomat der Erdsphäre lag es durchaus im Bereich seiner Möglichkeiten, seine Tochter von der Teilnahme an einer so gefährlichen Aktion abzuhalten …«
»Rosa hätte sich niemals einschüchtern lassen«, erklärte Robert.
»Sie hätten sie zwingen oder einsperren können«, entgegnete die Frau. »Dann wäre sie jetzt noch am Leben.«
»Welcher Vater sperrt denn seine …« Die Worte erstarben ihm auf der Zunge, als ihm bewusst wurde, dass alle Rosas im Saal ihn aufmerksam ansahen.
»Der zweite Hauptfaktor war makropolitischer Natur«, fuhr Beobachterin Catriona fort. »Robert Horst war der oberste Verhandlungsführer der Erdsphäre, und zwar vor der Invasion der Yamanon-Domäne und danach. Wenn jemand in der Lage war, die Streitkräfte der Erdsphäre und der Hegemonie zum Rückzug zu veranlassen, dann er. Aber hier sind wir nun, acht Jahre und Millionen Tote später …«
»Verzeihung, Gesprächsleiterin Julia, aber weicht die Anhörung nicht vom eigentlichen Thema ab?«, sagte Beobachterin Talavera. Sie erhob sich, lächelte Robert an, strich ihr schwarzes Kostüm glatt und wandte sich dem Publikum zu.
Gesprächsleiterin Julia nickte. »Beobachterin Talavera mag jetzt auf unschuldig plädieren.«
»Die Argumentation meiner geschätzten Kollegin weist eine große logische Lücke auf«, begann sie. »Botschafter Horst wurde als trauernder Vater eingeführt, und am Ende steht er als Oberschurke da, wie man sie aus Vee-Dramen kennt. Eine dreiste Herangehensweise und eine Verdrehung der Tatsachen!«
Talavera funkelte ihre Widersacherin Catriona streitlustig an, doch diese behielt die Fassung und nahm wieder Platz.
»In Wahrheit war Horst einfach ein guter Vater. Kein perfekter Vater, aber ein guter. Und ja, Eltern haben eine Fürsorgepflicht, aber wenn das Kind erwachsen wird, wie steht es dann um ihre Verantwortung? Sind die Eltern verantwortlich, wenn das Kind jemanden ermordet? Und was ist, wenn das Kind ein eigenes Kind bekommt – sind dann die Großeltern für das Enkelkind verantwortlich?«
Talavera vertrat ihren Standpunkt mit mitfühlender Zurückhaltung und einem Anflug von Belustigung.
»In Wahrheit haben Botschafter Horst und dessen Frau ihre Sache hervorragend gemacht, bis ihre Tochter schließlich flügge wurde, ihre eigenen Entscheidungen treffen und ihre eigenen Fehler machen konnte.« Sie zeigte auf Robert. »In Wahrheit verdient der Botschafter unsere Unterstützung und unser Mitgefühl, anstatt dass wir ihn verurteilen. Er hat nichts getan, weswegen er sich schuldig fühlen müsste – seine Tochter hat sich selbstständig entschieden, sie hat ihre Wahl getroffen und musste die Konsequenzen tragen. Die Schuld liegt immer bei denen, die den Abzug betätigen, die das Messer führen, den Knopf drücken oder das Gift verabreichen. Sie allein tragen die Schuld …«
»Das ist nicht wahr.«
Alle sahen ihn an. Talavera wandte den Kopf und musterte ihn kühl lächelnd; die Augenbrauen leicht gewölbt, wartete sie auf seine Erklärung. Robert verlieh seinen Gefühlen Ausdruck, die von dem alten Schmerz in seiner Brust herrührten.
»Es ist deshalb nicht wahr, weil ich mir immer noch Vorwürfe mache«, sagte er. »Man kann alles noch so gut erklären und mit vernünftigen Argumenten begründen, ich weiß trotzdem, es war meine Schuld. Ich hätte etwas unternehmen sollen, hätte tun sollen, was nötig war. Aber das habe ich nicht getan … habe es nicht einmal versucht. Und deshalb habe
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