Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)
dass du noch lebst, mein Junge …«
»… Hier … hier bin ich …«
Kurz darauf hatte Theo ihn entdeckt. Rory lag etwa zehn Meter vom Warpbrunnen entfernt am Fuße einer schiefen Felsplatte. Er war aschfahl im Gesicht, hatte sich anscheinend einen Arm gebrochen, und ein scharfer Felssplitter hatte sein rechtes Bein durchbohrt.
»… sieht nicht gut aus, Chef … Ich glaube, ich schaff’s nicht …«
»Bleib still liegen und ruh dich aus«, sagte Theo und zog ein paar Schmerztabletten aus der Hüfttasche. »Da, schluck die und gib mir die Bombe – ich werfe sie mit Freuden für dich ins Loch!«
Rory bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick, dann schluckte er die Pillen und löste die kleine Tasche, die er sich vor die Brust geschnallt hatte. Theo hatte das Raumfaltungsgerät bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Es bestand aus drei Metallkugeln, die durch ein verwickeltes Geflecht miteinander verbunden waren, das sich anfühlte, als bestünde es aus Holz. In der Mitte befand sich eine ovale Vertiefung, in die sein Daumen hineinpasste. Davon abgesehen gab es weder Knöpfe noch Displays.
»Also fehlt der Timer«, sagte Theo.
»Man muss das Ding im Brunnen zünden«, sagte Rory. »Das hat mir der Zyradin gesagt, und mir war schon klar, was das bedeutet … und … wo doch noch die ganzen Dinger in mir drin sind … Chef, ich wollte es wirklich tun. Ich wollte es tun! Nach allem, was diese Scheißmaschine mir angetan hat …«
Theo nickte. Auf Rorys Wangen glitzerten Tränen. »Dann erinnerst du dich also.«
»Aye … ich erinnere mich. An alles.«
Theo fühlte sich benommen, wusste aber, was getan werden musste.
»Schon gut, Rory, mein Junge. Wir stehen das durch. Wir machen dem … ein Ende …«
Mit zitternden Händen nahm er das Broltgewehr von der Schulter und legte es neben Rory auf den Boden. Er vergewisserte sich, dass das Schmerzmittel schon wirkte, dann hob er Rorys Bein von dem Felssplitter, was ihm nichtsdestotrotz einen Schwall von Flüchen einbrachte. Er rief sich seine Erste-Hilfe-Kenntnisse in Erinnerung, versorgte die Wunde, so gut er es vermochte, und wickelte einen Verband darum.
»So«, sagte er, schob die Raumfaltungsbombe in seinen Rucksack, richtete sich auf und schaute sich um. Die Kämpfer der Steinhauer und der Hakon-Haer waren auf eine Handvoll Überlebende zusammengeschrumpft und wehrten sich verzweifelt gegen einen weiteren massigen Legionscyborg, der in den Kampf eingegriffen hatte. Angelockt vom Kampfgetümmel, stießen weitere Cyborgs von oben herab.
»Halt durch, Rory McGrain«, sagte Theo. »Und vergiss nicht – keine beschissenen Statuen! Aber wenn man ein gutes Ale nach mir benennen würde, hätte ich bestimmt nichts dagegen …«
Dann grinste er und sagte:
»Ha det sa bra!«
Rory reckte die geballte Faust. » Vi ses , Chef! Wir sehen uns! …«
Theo drehte sich um und machte sich an die Überquerung der letzten Meter von geborstenem Fels. Das dröhnende Tosen war sehr viel lauter geworden. Während er über die Felsbrocken und klaffenden Abgründe kletterte, dachte er an Donny Barbour, den Ranger-Captain, der mit einem entführten Erdsphäre-Shuttle zwei brolturanische Abfangjäger vernichtet hatte, bevor er selbst über Niwjesta abgeschossen worden war. Donny war so gewesen wie Theo in seiner Jugend, zynisch genug, um gegen Propaganda immun zu sein, aber auch idealistisch genug, um zu kämpfen.
Ich wünschte, ich wäre so klug gewesen, mich aus unnötigen Kämpfen herauszuhalten, dachte er. Aber wenn ich Ingram nicht unterstützt hätte und der Winterputsch gescheitert wäre, was wäre dann aus mir geworden? Wäre ich vielleicht trotzdem hier gelandet?
Dieser Gedanke hallte trotz der Angst, die er bei ihm auslöste, in ihm nach. Es wäre gelogen gewesen, wenn er hätte behaupten wollen, er fürchte sich nicht vor dem Tod, doch er wusste auch, dass es Schlimmeres gab.
Und auf einmal war er am Ziel und blickte in den aufsteigenden Tumult hinein, mit trockenem Mund und hämmerndem Herzen. Dann kletterte er von der vorspringenden Felsplatte hinunter und näherte sich dem Brunnenrand. In der einen Hand hielt er die Raumfaltungsbombe, in der anderen ein Hackmesser. Er wagte es nicht, stehen zu bleiben, sondern trat dicht an die Kante heran, sprang vor und stürzte mit den Füßen voran in den Brunnen.
In jenen letzten Sekunden spürte er, wie eine unvorstellbare Kälte in seine Beine, seinen Rücken und seine Brust schnitt, und mit dem letzten Atemzug heulte
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