Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)
allem, was sie durchgemacht hatte, sehnte sie sich nach Ruhe und Alleinsein. Doch der Traumpalast war kein isoliertes, abgeschirmtes Refugium mehr – sie wurde von Segrana und dem Zyradin bedrängt.
Bedrängt mit Bildern vom Krieg, der rund um Niwjesta und den Planeten Darien tobte. Sie sah den Aufmarsch derer, die Darien und dessen Mond verteidigen wollten. Sie sah, wie Greg Cameron sich mit den abtrünnigen Tygranern an Bord von deren Raumschiff traf, dann erlebte sie das unerwartete Erscheinen der Erdsphäre-Flotte und die Unstimmigkeiten in deren Reihen mit. Und sie sah Gregs Begegnung mit dem Vizeadmiral der Erdsphäre mit an, das Gerangel mit einem Attentäter und die Ankunft der imposanten Hegemonie-Armada.
Der Zyradin offenbarte ihr in allen Einzelheiten die gewaltige Streitmacht, der sich die Verteidiger gegenübersahen. Segrana übermittelte ihr einen Bilderstrom von Rorys und Chels Leiden und der schrecklichen Aufgabe, die sich ihnen stellte, und sie zeigte ihr, wie Chel sie beide aus der schrecklichen Falle befreite. Der Zyradin übermittelte ihr Sequenz um Sequenz der entbrannten Schlacht und zeigte ihr die Verluste, die Erdsphäre, Imisil und Vox Humana erlitten. Dann ließ Segrana sie den vom Tygraner Marshal Becker ausgeführten Angriff auf den Hauerberg und den verzweifelten Kampf von Onkel Theo und Captain Gideon gegen Nathaniel Horne miterleben, einen Tygraner, der offenbar von einem intelligenten Parasiten beherrscht wurde.
Dann erfolgten die Explosionen, welche die Schulter des Riesen zerstörten und den Warpbrunnen freilegten, aus dem die ihrem uralten Kerker entflohene Legion der Avatare zum Vorschein kam. Der Zyradin übermittelte ihr die Empfindungen der in den mechanisierten, militarisierten Behältnissen eingeschlossenen uralten organischen Bewusstseine. Als Erstes verspürte sie eine berauschende Freude, die Ekstase der Freiheit nach langer Dunkelhaft, dann folgten eine überschwängliche, nahezu euphorische Wut, die ungebremste Lust an der Zerstörung, das unersättliche Verlangen, an allem und jedem Rache zu nehmen …
** Es waren die Vorläufer, die sie eingekerkert haben ** Wenn sie Segrana und mich wahrnehmen, werden sie versuchen, Vergeltung zu üben ** Allein die Hüterin Segranas kann die Mittlerin sein **
Sie schreckte zurück.
»Ich bin unzuverlässig!«, sagte sie. »Ich sollte nicht Hüterin sein …«
Der Zyradin zog sich zurück ins pulsierende, fließende lebendige Netz, das Flechtwerk der Wurzeln und Äste, die verwobenen Schaltkreise von Laub und Sonne und Fluss. Dann näherte sich die andere Wesenheit.
Du bist hier, sprach Segrana, weil ich dich auserwählt habe, dich und keinen anderen – Du verstehst es dazuzulernen – Du bist der Achsnagel – Ohne dich wäre alles umsonst gewesen .
»Du kannst mir das nicht alles aufbürden, das halte ich nicht aus! …«
Schau hin! – Und sieh …
Mit einem Mal wurden ihr alle Kräfte und Sinne Segranas zugänglich. Das Sehen glich einem Flug durch zarte Schleier, einem erfrischenden Schwenk über Gebäude, durch Räume, über Personen, Straßen und Gärten, dann hinaus über die Felder, Hügel, Wälder, Flüsse und …
… hinein in einen unterirdischen Raum, wo der Uvovo-Seher Chel auf einem Steinpodest saß und mit seinen sechs Augen paarweise unterschiedliche Dinge sah. In der Höhe wurden einige Legionscyborgs von Energien abgewehrt, die aus dem Boden hervorschossen. Dann war sie wieder bei Chel, der ihr mit seinen sechs Augen auf einmal bis ins Innerste blickte.
(Gegenwärtig befinden sich alle Ereignisse im Gleichgewicht, sagte er zu ihr. Es gilt, grauenhafte Zukünfte zu vermeiden. Vertrau Segrana – sie hat recht daran getan, dich zu ihrer Hüterin zu bestimmen. Hüte dich davor, aus dem Gleichgewicht zu geraten, aber sei darauf gefasst … etwas anderes zu verlieren …)
Sie wurde fortgerissen. Durchscheinende Bilder zogen vorbei, eine flackernde Abfolge von Orten, verschwommenen Gesichtern … Gregs Mutter, müde und abgehärmt, die Falten tief eingegraben, das graue Haar zurückgebunden … ein großer Sendrukaner, der über verbranntes Gelände rannte … fünf reglose Gestalten auf Liegen, angeschlossen an Kabel und Schläuche, die Augen hinter Visieren verborgen … ein Mann, in dem sie Botschafter Robert Horst zu erkennen meinte, auch wenn er viel jünger wirkte, unterhielt sich mit einer silberfarbenen schwebenden Untertasse … Julia Bryce, die eiskalte Julia, stand reglos unter einer wirbelnden
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