Die Ahnen von Avalon
folgte, machte sie sich auf den Weg am Wasserlauf entlang.
Die Steine, die von dem kalkhaltigen Wasser weiß gespült worden waren, schimmerten im Licht der Fackeln. An mehreren Stellen waren die Mineralien kristallisiert und hingen in der Form von umgekehrten Pyramiden von der Decke des Höhlengangs, mit Tropfen an den Spitzen, von denen hin und wieder einer herabfiel. Als Tiriki die Hand zur schrägen Felswand ausstreckte, um sich im Gleichgewicht zu halten, fühlte sich das Gestein kalt und feucht an.
War dies ein natürlicher Tunnel, oder war er von Menschenhand geschaffen? An den meisten Stellen war der Stein vom Wasser glatt geschliffen worden, aber es hatte den Anschein, als wären an der Decke einige der Felsnasen mit Gewalt weggeschlagen worden. Von Neugier getrieben, beschleunigte Tiriki ihre Schritte; irgendwie gelang es ihr, auf dem glitschigen Stein nicht auszurutschen. Erst als sie durch eine plötzliche Biegung zum Halten gezwungen wurde, merkte sie, dass Liala nicht mehr hinter ihr war. Leise rief sie ihren Namen, doch der Hall ihrer Stimme wurde sogleich vom Plätschern des Wassers verschluckt, das über den Stein floss.
Eine Weile stand sie da und überlegte. Unterwegs hatte es keine Abzweigungen gegeben, Liala konnte sich also nicht verlaufen haben… und sie hätte ein Klatschen gehört, wenn sie auf dem glitschigen Gestein ausgerutscht wäre. Wahrscheinlicher war, dass die ältere Priesterin einfach aufgegeben und den Rückweg angetreten hatte.
Tiriki zog das Schultertuch enger um sich und setzte den Weg fort. Natürlich war sie zuvor nicht weniger allein gewesen als jetzt, doch nach einigen Schritten wurde ihr erst so richtig bewusst, dass Liala nicht mehr hinter ihr war, und sie wurde noch wachsamer. Sie bemerkte einen zweiten Weg auf der anderen Seite des Wasserlaufs, der nach links führte. Als sie die Fackel hob, erkannte sie die sinnlich anmutenden Windungen einer Spirale, die rund um die Öffnung in den Fels eingeritzt waren.
Damisa hatte angedeutet, dass Iriel möglicherweise nach einem in einer alten Höhle verborgenen Tempel suchen mochte. Mit entschlossen zusammengepressten Lippen bückte sich Tiriki und zeichnete mit dem Finger einen nach links deutenden Pfeil in den Schlamm, als Zeichen, in welche Richtung sie ihren Weg fortsetzte; dann überquerte sie mit einem großen Schritt das Wasser.
Dem Augenschein nach gab es kaum einen Unterschied zwischen diesem Weg und jenem, den sie zuvor gegangen war, dennoch spürte sie mit ihren anderen Sinnen eine deutliche Veränderung. Sie runzelte leicht die Stirn und legte die Fingerspitze an die eingeritzte Zeichnung; dann fuhr sie der Spirallinie bis zur Mitte nach und anschließend wieder nach außen.
Sie stand reglos da, gebannt von dem Muster, bis sie plötzlich merkte, dass ihr Arm ohne ihr Zutun an ihre Seite herabgefallen war und die Fackel gefährlich nah an ihrer Kleidung brannte. Erschrocken riss sie sie hoch und sah sich um.
Wie lange war sie in Trance gewesen? Wie weit war sie inzwischen gekommen?
Tiriki schüttelte den Kopf; ihr wurde klar, dass das Berühren der Spirale eine Torheit gewesen war. Taret hatte sie gewarnt, dass sich irgendwo auf der Insel ein Labyrinth befand, das zur Anderen Welt führte, wenn man ihm bis zum Ende folgte.
Der gewundene Weg vor ihr kam ihr jetzt nicht mehr so dunkel vor, dennoch konnte sie weder weit nach vorn schauen noch nach hinten, von wo sie gekommen war. Ich habe mich nicht verirrt, redete sie sich tapfer ein. Und während sie sich selbst Mut machte, tastete sie sich an den Felswänden weiter.
Nach der nächsten Biegung befand sie sich unter freiem Himmel.
Die Fackel schien plötzlich nur noch blass, und Tiriki blinzelte in die Helligkeit um sie herum. War es möglich, dass bereits ein neuer Tag angebrochen war? Am Himmel war der Silberschein der Morgendämmerung zu sehen, doch Dunstschwaden umwaberten den Fuß des Heiligen Berges, und sein Hang verbarg den Horizont.
Tiriki machte sich an den Aufstieg; als sie an der Stelle ankam, die der Gipfel zu sein schien, sah sie jedoch nur den Kreis aus Steinen, größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, und wie von einem inneren Licht erstrahlend. Die Sonne war nicht die Quelle dieses Lichts, denn der Himmel war im Osten nicht heller als im Westen. Die Luft war nicht kalt, doch ein Schauder durchfuhr sie, als sie den Blick zum Horizont wandte. Ich befinde mich nicht länger in der Welt, die ich kenne…
»Du betreibst das Ganze zu
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