Die Ahnen von Avalon
sich fast vor Aufregung.
»Nun ja - mir waren tatsächlich schon Gerüchte zu Ohren gekommen, dass er solche Dinge beherrscht. Aber ich glaube, das war symbolisch, in meinem Traum. Weil… verstehst du… Obwohl Anet uns gesagt hat, dass er hier ist, habe ich ihm keine Nachricht übermittelt. Ich wusste nicht, was ich ihm hätte sagen sollen. Und von ihm kam auch nichts. Ich glaube also, jeder von uns ist dem anderen entschwebt - oder so ähnlich.«
Als Kalaran ratlos die Stirn runzelte, schenkte Chedan ihm ein warmherziges Lächeln. »Danke, mein Junge. Ich hatte befürchtet, ich hätte etwas Bedeutendes geträumt, aber du hast mir geholfen, es anders zu sehen. Wenn mein Traum überhaupt etwas aussagt, dann allenfalls, dass er weggegangen ist. Ich dachte, er wäre vielleicht gestorben, aber jetzt bezweifle ich das. Ich denke, das würde ich wissen. Trotzdem, ich habe mir Gedanken über ihn gemacht. Wahrscheinlich habe ich nur Worte neu zusammengereimt, die er früher einmal ausgesprochen hat. Wenn man träumt, geschieht das häufig.«
»Ich träume auch oft seltsame Dinge«, sagte Kalaran nach einer Weile verlegenen Schweigens, »aber nach einem guten Frühstück sieht alles anders aus.«
» Dem habe ich bestimmt nicht entgegenzusetzen«, sagte Chedan und erlaubte seinem Meisterschüler, ihm beim Abstieg zu helfen. Während sie so dahinwanderten, trug eine dünne Rauchschwade den üppigen Duft von gebratenem Fleisch zwischen den Bäumen hindurch zu ihnen. Sicher würde eine gute Mahlzeit ihm helfen, diesen schrecklichen Tag durchzustehen.
»Hast du schon das Neueste gehört?«, raunte Vialmar Elara zu. »Ardral ist verschwunden!«
»Was soll das heißen - verschwunden? Prinz Tjalan hat an jedem Ausgang des Geländes Wachen aufgestellt, um uns zu ›schützen‹. Sie würden ihn nicht einfach hinausspazieren lassen.«
»Das ist ja das Gelungene daran«, sagte Vialmar grinsend, »und ich habe es inzwischen von verschiedenen Leuten gehört: Er ist einfach durch seine Tür ins Freie getreten, hat sich in die Schwebe erhoben, und schon war er weg, über die Mauer! Einfach so!«
»Weiß Tjalan davon?«, fragte Cleta, ehrfürchtig flüsternd.
»Falls er es weiß«, antwortete Elara, »dann lässt er sich dadurch nicht von seinem Vorhaben abbringen. Seht mal, er hat Damisa bei sich!«
»Und Reidel«, fügte Cleta hinzu. »Glaubt der Prinz vielleicht, er kann sie dazu überreden, sich uns anzuschließen, oder möchte er nur unsere Macht zur Schau stellen?« Sie tauschte einen Blick mit Elara.
Wie sind wir nur in diese Lage geraten?, fragte sich Elara. Zweifellos sind wir doch zu wenige in diesem Land, um uns mit den anderen anzulegen… Aber solange ihre Ältesten sich einig waren, verlangten ihre Eide, dass sie ihnen bedingungslos gehorchten.
Sie hatte sogar das Wagnis auf sich genommen, zu spät zu kommen, indem sie ihren üblichen Weg verlassen hatte, um mit Khayan-e-Durr zu sprechen, doch die Ai-Zir bildeten kein Gegengewicht zu den atlantidischen Schwertern und der atlantidischen Magie. Sie hatte die Absicht gehabt, sie um Hilfe zu bitten, doch letztendlich war das Gespräch auf die Empfehlung hinausgelaufen, sich möglichst aus der Sache herauszuhalten.
Elara war sich selbst jetzt noch nicht sicher, ob es ihr gelungen war, die Königin davon zu überzeugen, in welcher Gefahr sie schwebten. Vielleicht planten die Schamanen etwas; sie hatte Trommelklänge aus Drochrads großem Rundhaus gehört, aber wenn sie jetzt darüber nachdachte, war das eigentlich nichts Ungewöhnliches.
Doch wenn Tiriki dabei ums Leben kommt - was wird Micail dann tun?, fragte sie sich. Wird er damit leben können?
Sie erinnerte sich an den abgrundtiefen Schmerz in seinem Gesicht, als er von dem Treffen zwischen Tjalan und Tiriki zurückgekommen war, und wusste, dass er eine endgültige Trennung nicht würde ertragen können. Auch ihre Gefühle gerieten ins Trudeln, und sie empfand ein überwältigendes Mitleid, gemischt mit dem unerträglichen Gedanken an eine Welt ohne Micail…
Doch da war Micail ja, stellte sie plötzlich fest; ganz allein saß er an einen der Steine gelehnt. Sie hatte diesen Ausdruck in seinem Gesicht nicht mehr gesehen, seit sie Belsairath verlassen hatten. Warum weigerte er sich nicht einfach, an der ganzen Sache teilzunehmen? Warum kehrte er ihnen allen nicht einfach den Rücken?
Der Widerschein der Sonnenstrahlen in einem Speer mit Orichalkum-Spitze zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Tjalan hatte seine
Weitere Kostenlose Bücher