Die Ahnen von Avalon
Bebens, während die dünnen Sohlen ihrer Sandalen es ihr sehr deutlich vermittelten. Schmerzlich fühlte sie sich daran erinnert, wie in Ahtarrath die Erde vor dem Untergang gezittert hatte. Sie überlegte, ob sie ihm raten sollte, sich zu bücken und das Ohr an den Boden zu legen, aber das wäre wahrscheinlich mit seiner Würde nicht vereinbar gewesen. Wie mochte es wohl sein, sich innerhalb des Kreises aufzuhalten und mit so viel Energie umzugehen?, fragte sie sich und unterdrückte dabei einen Anflug von Neid.
Die Steine von Azan tanzten.
Micail blinzelte, doch sein Sehvermögen war nicht das Problem. Der Boden unter seinen Füßen schwankte, und als Mahadalku den Gesang der Sopranstimmen noch höher dirigierte, vibrierten die aufrecht stehenden Steine im Takt mit den Klängen. Dies war nicht der präzise und geordnete Gesang, der die Steine aufgerichtet hatte, sondern eine wohl berechnete Disharmonie, die in jedem Nerv brannte und an jedem Knochen kratzte.
Micail stellte fest, dass er nicht der Einzige war, der verstummt war, doch da noch drei vollzählige Gruppen des Chors sangen, reichte die Kraft aus, um die Schwingungen aufrechtzuerhalten. Er fragte sich, wie irgendetwas diesem Ansturm standhalten konnte, aber offensichtlich tat der Heilige Berg genau das. Er spürte die Turbulenz, die dadurch erzeugt wurde, dass die Wellen gegen etwas schlugen und davon zurückgeworfen wurden.
Wir schaffen den Durchbruch nicht!, jubelte er innerlich. Aber wusste Haladris das? Der alkonische Priester sang noch lauter als zuvor, in noch schrillerer Dissonanz. Von der aufgeschürften Kalkfläche innerhalb des Kreises stieg feiner weißer Staub auf.
Der Priester war blass und schweißgebadet, und sein starrer Blick war ganz nach innen gerichtet. Micail wurde bewusst, dass der Priester nichts von dem Geschehen um ihn herum wahrnahm. Die senkrechten Steine waren tief in den Boden eingegraben und standen fest gefügt in den Löchern, die sie umschlossen, doch sie waren nicht dafür geschaffen, einem so heftigen Beben standzuhalten. Der Stein ächzte und knirschte, als eine der Säulen des nördlichsten Trilithen schwankte, zitterte, sich drehte und nur noch von dem Zapfen, der ihn mit dem Deckstein verband, an seinem Platz gehalten wurde.
Auch wenn Micail sich weigerte, seine ganze Kraft beim Erwirken der Zerstörungsmagie einzusetzen, spürte er trotz seiner inneren Loslösung die sich ausdehnende Wallung des Energiestroms. Er vermutete, dass der Widerstand des Heiligen Berges sehr bald brechen würde. Doch das würde die Energie, die sich hier entfaltete, in keiner Weise beeinflussen; tatsächlich könnten die Kräfte, die von dem Steinkreis ausgingen, sowohl an diesem selbst als auch am Heiligen Berg eine bei weitem größere Zerstörung anrichten, als von Haladris beabsichtigt - sofern sie nicht in die richtigen Bahnen gelenkt würde.
Ich muss dem Einhalt gebieten, bevor der gesamte Steinkreis in sich zusammenfällt! Er streckte den Arm zu seinen geliebten Steinen aus, und plötzlich hallte eine Stimme, die er als die seines Vaters erkannte, in seinem Herzen wider:
» Sprich mit den Mächten des Sturms und des Windes - der Sonne und des Regens - des Wassers und der Luft - der Erde und des Feuers! « Micail erkannte, dass dieser Augenblick der Auslöser für das Wiedererwachen seiner ererbten Kräfte war.
»Ich bin der Erbe des Donnerworts!«, rief er aus. »Und ich beanspruche dieses Land für mich!«
Die Reihe der Soldaten geriet ins Stolpern, und die Männer warfen schreckensvolle Blicke zu Tjalan, als ein Beben die Erde erschütterte und in Richtung des Heiligen Berges verlief.
»Der Sieg ist unser!«, schrie der Prinz und packte Damisa am Arm. »Jeder, der von einem solchen Schlag getroffen wird, ist außer Gefecht gesetzt! Spürst du die Kraft?«
» Niemals! «, rief Reidel. »Nicht, solange ich lebe.« Als sich der Boden erneut hob, befreite er sich gewaltsam von seinen Häschern und taumelte zu dem Steinkreis.
»Reidel, nein!«, schrie Damisa und dachte: Dieser Narr rennt in den Tod!
»Haltet ihn fest!«, brüllte Tjalan, doch seine Soldaten hatten vollauf damit zu tun, auf den Füßen zu bleiben. Fluchend ließ er Damisa los und sprang Reidel hinterher, wobei er sein Schwert zog.
Damisa folgte ihm dicht auf den Fersen. Beide sind Narren, stellte sie bei sich fest, dieses ganze Treiben ist der Wahnsinn! Hin und her gerissen zwischen Angst und Wut, war sie kaum zu einem vernünftigen Gedanken fähig,
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