Die Ajima-Verschwörung
Arroganz eines Mannes aus, dem nichts recht zu machen ist. Kamatori war makellos gekleidet. Er trug eine
Hakarna,
sackartige Hosen, die beinahe wie ein weiter Hosenrock wirkten, und eine
Kataginu
der Edo-Periode, eine ärmellose Jagdweste aus Seidenbrokat. Seine Füße steckten in Sandalen.
Pitt dagegen sah aus wie ein Schiffbrüchiger. Er hatte nur ein T-Shirt an und Shorts, die er sich aus der Hose seines Fliegeranzugs zurechtgeschnitten hatte. An den Füßen trug er weiße Socken.
Nachdem man ihn geweckt und zu Kamatoris Privatbüro geführt hatte, stand er vor Kälte zitternd in dem ungeheizten Raum und musterte jede Einzelheit an den Wänden. Sie hingen voller alter Waffen, aus jeder Epoche der Weltgeschichte.
Japanische und europäische Rüstungen standen wie Wachen in Habachtstellung mitten im Raum. Angesichts der Trophäen, die säuberlich aufgespießt zwischen Hunderten von Schwertern, Speeren, Bogen und Gewehren die Wand schmückten, drehte sich ihm der Magen um.
Er zählte dreißig Köpfe, die aus starren Glasaugen ins Leere blickten. Bei den meisten von Kamatoris Opfern handelte es sich um Asiaten, nur vier hatten westliche Gesichtszüge. Er erstarrte, als er Jim Hanamuras Kopf entdeckte.
»Kommen Sie herein, Mr. Pitt, und trinken Sie eine Tasse Kaffee«, lud Kamatori ihn ein und deutete auf ein leeres Kissen neben einem niedrigen Tisch. »Wir werden uns ein paar Minuten unterhalten, bevor –«
»Wo sind die anderen?« unterbrach Pitt ihn.
Kamatori warf ihm einen kalten Blick zu. »Die sitzen in einem kleinen Raum nebenan, von dort aus werden sie die Jagd auf einem Fernsehbildschirm verfolgen.«
»Wie die Zuschauer, die sich einen miserablen Spätfilm ansehen.«
»Vielleicht kann der letzte, der gejagt wird, aus den Fehlern der anderen, die vor ihm abgetreten sind, lernen.«
»Oder vielleicht schließen sie einfach die Augen und verpassen die ganze Show.«
Kamatori saß vollkommen ruhig da. Um seine dünnen Lippen spielte ein kleines Lächeln. »Dies hier ist nicht das erste Mal.
Der Ablauf konnte im Laufe der Zeit verfeinert werden. Die Opfer werden an ihre Stühle gefesselt und ihre Augenlider notfalls mit Klebeband fixiert. Denen wird jede Gelegenheit gegeben werden, Ihr Versagen zu verfolgen.«
»Ich hoffe, Sie überweisen die Einnahmen für die Wiederholungen auf mein Konto«, sagte Pitt und tat so, als betrachte er die Köpfe an der Wand, versuchte dabei aber, den schrecklichen Anblick zu ignorieren und sich statt dessen auf ein Gestell zu konzentrieren, das Hieb- und Stichwaffen enthielt.
»Sie spielen die Rolle des mutigen Mannes sehr gut«, bemerkte Kamatori. »Von einem Mann Ihres Rufes hatte ich nichts anderes erwartet.«
»Wer folgt als zweiter?« fragte Pitt unvermittelt.
Der Schlächter zuckte die Achseln. »Ihr Freund Mr. Giordino oder vielleicht auch die weibliche Agentin. Ja, ich glaube, wenn ich sie erlege, dann wird das die übrigen richtig wütend machen, so daß sie als Wild gefährlicher werden.«
Pitt wandte sich um. »Und wenn Sie einen von uns nicht erwischen?«
»Die Insel ist klein. Noch nie hat sich mir jemand länger als acht Stunden entziehen können.«
»Und Sie kennen keine Gnade?«
»Keine«, gab Kamatori zurück, und sein böses Lächeln wurde breiter. »Hier handelt es sich nicht um ein Versteckspiel, wie es Kinder spielen, mit Gewinnern und Verlierern. Ihr Tod wird schnell und sauber über die Bühne gehen. Das verspreche ich.«
Kamatori deutete auf die Tür. »Die Zeit ist gekommen.«
Pitt blieb stehen. »Sie haben mir die Spielregeln noch nicht erklärt.«
»Es gibt keinerlei Spielregeln, Mr. Pitt. Ich lasse Ihnen großzügig eine Stunde Vorsprung. Dann werde ich die Jagd beginnen. Ich bin nur mit meinem Schwert bewaffnet, einer alten Waffe, die schon einige Generationen im Besitz meiner Familie ist und viel Blut gesehen hat.«
»Ihre Samurai-Ahnen müssen mächtig stolz auf einen Abkömmling sein, der ihre Ehre dadurch besudelt, daß er unbewaffnete und wehrlose Menschen ermordet.«
Kamatori wußte, daß Pitt ihn absichtlich provozierte, doch er konnte die Wut, die er diesem Amerikaner gegenüber empfand, der nicht die Spur von Angst zeigte, nicht unterdrücken.
»Dort ist die Tür«, zischte er. »Ich beginne in einer Stunde mit der Verfolgung.«
Die gespielte Gleichgültigkeit fiel in dem Moment von Pitt ab, als er das Tor im elektrisch geladenen Zaun hinter sich hatte.
Ungezügelte Wut brodelte in ihm, als er an der Baumreihe am Rande
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