Die Akademie der Lüste (German Edition)
entschuldigen.
Eileen hob die Augenbraue. »Nicht sehr effektiv mit einer Hand auf meinem Mund.«
»Und was hättest du getan, wenn es jemand anderer gewesen wäre?«
»Ihn zu Boden geschickt«, gab sie ungerührt zurück, und das war nicht einmal gelogen. Eileen trainierte seit ihrer frühesten Kindheit Mixed Martial Arts, eine Verknüpfung verschiedener Kampfsportarten. Eigentlich war es eine Sportart für Wettkämpfe, aber Eileens Bruder, der mittlerweile ein Champion auf den Wettkampfmatten war, hatte es ihr zur Selbstverteidigung beigebracht. Und tatsächlich hatte es in ihrem Leben bisher keine Situation gegeben, in der sie sich bei drohender Gefahr nicht hätte zur Wehr setzen können.
Morgan trat näher auf sie zu und legte ihr seine Hände auf die nackten Oberarme. Der Druck seiner Finger war sanft und gleichzeitig prüfend.
»Ich habe es am ersten Abend schon bemerkt – du bist sehr gut in Form und hast eine unglaubliche Körperbeherrschung. Aber ich hätte eher gedacht, dass du früher Ballett gemacht hast anstatt Boxen.«
»Martial Arts«, erwiderte Eileen und verfluchte das leise Zittern in ihrer Stimme, das nur zu deutlich verriet, dass seine Nähe sie ganz und gar nicht kalt ließ. »Ich habe verschiedene Martial-Arts-Techniken erlernt.«
Morgan nickte nur, als hätte er so etwas bereits geahnt und ließ seine Hände ihre Arme hinabgleiten, bis er ihre Finger umfasste und sie an ihrer rechten Hand in das Dunkel zog. Er sprach nicht, als er sie stumm einen kaum ausgetretenen Pfad entlangführte, den Eileen ohne Weiteres übersehen hätte. Er führte weg von der Anlage durch das Dickicht an einen etwas raueren Teil des Strandes. Hier gab es keine Palmen, dafür große Felsbrocken, die wie hingeworfene Spielzeuge eines Riesen auf dem schimmernden Sand aussahen. Das Mondlicht ließ die Szenerie unwirklich erscheinen, und Morgan, der Eileen führte, wirkte wie ein seltsames Geleit in eine andere Welt.
Bestimmt brachte er sie zu zwei größeren Felsen, zwischen denen ein winziges Boot mit einem Außenbordmotor auf dem Wasser schaukelte.
»Setz dich.«
»Wolltest du nicht tanzen?«, fragte Eileen nun doch, auch wenn sie es eigentlich hatte vermeiden wollen.
»Später«, erwiderte Morgan und half ihr, in das schwankende Boot zu steigen. Wellen schwappten gegen das splittrige Holz und benetzten Eileens Kleid, aber sie achtete nicht darauf. Als auch Morgan im Boot saß, warf er den Motor an, der mit einem gurgelnden Geräusch zum Leben erwachte und dann die nächtliche Stille mit seinem Knattern zerriss.
Zielsicher lenkte Morgan das Boot zwischen den Felsen hindurch und fuhr mit Eileen weiter hinaus. Das Meer war ruhig, die Wellen, auf die sie trafen, klein. Der Mond schien voll und bleich auf das Wasser und das winzige Boot.
Eileen schloss die Augen und schmeckte das Salz der Meeresluft auf ihren Lippen. Sie wusste nicht, was Morgan vorhatte oder warum er sich so geheimnisvoll gab, aber es bereitete ihr Vergnügen, bei ihm zu sein. Es gefiel ihr tatsächlich.
Den Rest der Fahrt brachten sie schweigend hinter sich.
Und nach einer gefühlten Ewigkeit legte das Boot an einer abgelegenen Stelle auf einer anderen Insel an. Eileen glaubte, von der Ferne Trommeln und Gelächter zu hören. Sie schloss die Augen, um das Geräusch besser aufnehmen zu können, und mit einer weiteren Böe wurden erste Stimmfetzen zu ihnen herübergetragen.
Eileen schlug die Augen wieder auf und blickte direkt in diejenigen von Morgan, der sie aufmerksam betrachtete. Er beugte sich vor, bis sein Atem warm über ihre Wange strich, und küsste sie zärtlich.
»Komm«, sagte er sanft, und in seiner Stimme schwang ein Hauch von Bedauern mit. Er ergriff ihre Hand und half ihr aus dem Boot.
Eileen spürte Morgans Hand, seine Wärme, aber auch eine gewisse Traurigkeit. Etwas an seiner Haltung war anders – es machte ihn greifbarer. Menschlicher. Der Mann, der sie am Flughafen begrüßt hatte, war ein formvollendeter Charmeur gewesen, dazu da, die ankommenden Gäste zu bezaubern, damit sie in der richtigen Stimmung für das Resort waren. Eine Kunstfigur. Aber Eileen hatte noch am gleichen Abend gesehen, was hinter der Fassade war. Und dieses Geheimnis, dieser Mann, der sich so geschmeidig zu den Klängen der Musik bewegt hatte, dessen Körper sich in Kreisen und kraftvollen, starken und doch sinnlichen Bewegungen gedreht hatte – dies hatte Eileen verzaubert und fasziniert. Es war wie ein Trieb, reiner, animalischer
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