Die Akte Daniel (German Edition)
Gefühlschaos verschafft. Nur zu gerne hätte er diesen Hunter der Firma mit eigenen Händen getötet und die Zähne in das Fleisch dieses Mannes versenkt, bis nur noch ein zerfetzter, blutiger, undefinierbarer Haufen ehemals menschlichen Lebens übrig war.
Doch das, was da in dem Krankenzimmer lag, war alles, nur kein Hunter . Dem Tode näher als dem Leben hatte sich Jason Ghost ihm ergeben, ohne wirklich dabei die Hoffnung zu haben, dass er überleben würde.
Doch Ghost würde überleben. Seine Prognose sah gut aus. Obwohl der letzte Dämon des Ordo vor gut hundert Jahren bei ihnen geweilt hatte, konnte man ohne Probleme die damaligen Erfahrungen mit den neuen Technologien und der weit fortgeschrittenen Wissenschaft kombinieren. Der Hunter nahm die Medikamente gut an. Der Schrott, den er von der Firma erhalten hatte, hätte ihn fast das Leben gekostet.
Fearman verstand nicht, wie man so einen wertvollen Begabten derart ausbeuten konnte, bis fast nichts mehr von ihm übrig war.
Bei guter Pflege, entsprechenden Herausforderungen und einem guten Quantum an Ruhe konnten Dämonen mindestens fünfzig Jahre alt ohne große gesundheitliche Einschränkungen werden. Das war immer noch weit unter dem Durchschnitt der übrigen Menschheit, damals schon, aber sehr viel mehr als das, was Ghost noch zu leben hatte. Ob der Ordo es schaffte, ihm noch mehr als fünf Jahre zu geben, stand in den Sternen. Er würde ganz sicher aber niemals mehr die Geschwindigkeit eines Dämons aufnehmen dürfen. Das wäre sein Tod.
Doch wie auch immer: Der Anblick des ausgemergelten Mannes hatte in ihm Mitleid geweckt. Wie lange hatte Jason Ghost gebraucht, um den Gedanken und den Mut zur Freiheit zu finden? Es war eine sehr lange Zeit gewesen. Fearman konnte sich daran erinnern, dass der kleine Dämon , damals noch keine drei Jahre alt, der Firma anheimfiel. Es war nur Fearman, der außer einem schon vor Jahren verstorbenen Traumgänger wusste, dass es Patrick Gregorii überhaupt gab und jemals gegeben hatte. Dieses Kind russischer Einwanderer war vor über zwanzig Jahren spurlos verschwunden und die Suche war allzu schnell aufgegeben worden. Nicht einmal seine Eltern vermissten ihn noch, da sie einige Jahre später bei einem Autounfall starben. Für die Firma musste es damals ein Freudenfest gewesen sein, so ein Kind zu entführen.
Danach war und blieb Patrick Gregorii verschwunden. Irgendwann tauchte dann Jason Ghost auf. Gesichtslos und schnell wie ein Gedanke. Für Fearman war als Einzigem offenbar gewesen, wer ihnen da die Stirn bot. Trotzdem war das Urteil hart über Ghost, selbst wenn Fearman und der Ordo ihn niemals wirklich strafen würden. Er hätte schon viel früher fliehen können. Nur, wie viel Angst hatte man ihm eingeimpft? Wie abhängig hatte man ihn von den Medikamenten gemacht? Fearman wusste jetzt, wie viel es genau war. Es hatte ungeheuren Mut von Jason gefordert, nicht nur allein zu fliehen, sondern dabei noch jemanden mitzunehmen. Welchen Umstand es Berenice verdankte, dass er gerade sie wählte, konnte sich Fearman denken. Ob Jason es wusste, daran durfte er zweifeln. Ein Telepath hatte geradezu jugendliche Unschuld bei Jason festgestellt und ein enorm schlechtes Gewissen für das, was er getan hatte. Es lastete schwer auf ihm, die Kinder entführt zu haben und am schwersten wog die Entführung der kleinen Berenice, für die er sich stellvertretend für alle anderen Kinder ganz besonders verantwortlich fühlte.
Fearman nahm einen Schluck seines kalt gewordenen Kaffees. Er verzog keine Miene. Es gab Dinge, die nicht wichtig waren und kalter Kaffee gehörte in diesem Moment dazu.
Sein Handy klingelte. Natürlich, es wurde Zeit, dass er seinen Bericht ablieferte und eine Prognose über Jason Ghost abgab.
Im Ordo war seit langer Zeit wieder die Diskussion aufgeflammt, ob man nicht mehrere Gefängnisse für uneinsichtige Firmenmitglieder einrichten sollte. Der Aufwand, so gefährliche Subjekte wie Demetrius Archer oder Jason Ghost zu verwahren, erforderte es fast immer, dass man sie separierte und teuer in einzeln stehenden Häusern verpflegte und versorgte. Gleichzeitig formierte sich wie immer auch eine Gegenfraktion, die argumentierte, dass die Konzentration vieler aggressiver Begabter jeglicher Art für den Ordo sehr viel gefährlicher werden konnte. Dabei spielte es keine Rolle, ob diese nun so ausgebrannt waren wie Demetrius Archer oder dem Tode nahe wie der Dämon . Fearman belächelte diese Diskussion. Seine
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