Die Akte Daniel (German Edition)
weiter. Er war noch immer heiß.
Und er schmeckte mit jedem Schluck besser. Oder lag es vielleicht daran, dass Jason sich langsam daran gewöhnte, die Dinge, die er tat, auszukosten. Er hatte ja nun die Zeit dazu.
Fearman sah in Jasons Patientenakte. Der Dämon hatte sich gut gemacht. Er war stabil und wurde von Tag zu Tag kräftiger. Die Medikamente konnten bis jetzt in ihrer Dosierung halbiert werden. Fearman befand, dass es Zeit war, mit Jason ein intensives Gespräch zu führen. Seiner Meinung nach war es durchaus sinnvoll, wenn Berenice mit dabei war. Er wählte das Institut an und kontaktierte Mrs. Terranto.
Diese versprach, Berenice Bescheid zugeben und in zwei Stunden mit ihr vor Ort zu sein.
Pünktlich fuhr das Auto vor. Allerdings war zusätzlich noch Sunday mitgekommen; Berenice hatte ihn darum gebeten und außerdem war der Fuchs auf diesen mysteriösen Geist gespannt, der in den Augen des jungen Mädchens so ein besonderes Flackern hervorrief, sooft es von ihm sprach.
»Hallo, Doc«, begrüßte er Fearman. »Alles im grünen Bereich?«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du mitkommen solltest«, meinte Fearman schlicht. »Aber ich schätze, ich werde dich wohl nicht los, wenn ich dich zum Shopping schicke?«
»Nö, was erwarten Sie auch?« Sunday grinste breit und zog Berenice nach vorne. Das junge Mädchen trug Kleidung, die nur von Sunday ausgesucht sein konnte: ein schwarzes, spitzenbesetztes Kleid mit weißem Kragen und die dazu passenden Strümpfe und Schuhe. Die Haare waren zu zwei hohen Knoten gesteckt, die ein wenig an Ohren erinnerten; kurzum, Berenice sah katzenhafter denn je aus.
Fearman betrachtete sie sich. »Sehr hübsch«, meinte er trocken. »Wir werden wohl deinen Geschmack abfragen müssen, was deine Kleiderwahl angeht. Am besten ohne einen ganz bestimmten Fuchs.«
Berenice lächelte schüchtern und zupfte am Rocksaum. »Mir gefällt es«, gab sie zurück. »Sunday wollte mir erst etwas in Knallorange andrehen, aber da habe ich mich geweigert.«
Sunday zog eine gespielt beleidigte Schnute.
Fearman schüttelte nachsichtig den Kopf. »In Ordnung, das ist nicht mein Gebiet. Ich halte es schlicht. Kann ich dich sprechen, Berenice? Unter vier Augen?«
»Sicher doch.« Das Mädchen drehte sich kurz zu Mrs. Terranto um, die aufmunternd lächelte, dann ging sie mit Fearman die Stufen zum Eingang hoch.
Sunday und Mrs. Terranto wählten den Weg in den Salon, während Fearman Berenice weiter führte. »Ich habe Jason gefunden«, eröffnete er ihr, als sie allein waren und keine neugierigen Ohren sich spitzen konnten.
Berenices Augen wurden größer. »Wirklich? Wann? Wie geht es ihm? Kann ich mir ihm reden?«, sprudelte sie heraus.
»Ja, das kannst du. Er ist hier, daher wollte ich auch, dass du hierher kommst.«
»Wirklich? Danke!« Berenice strahlte Fearman an; sie wäre dem Mann am liebsten um den Hals gefallen, aber das traute sie sich nicht.
»Ich weiß nicht, ob du mir danken kannst«, versetzte er ihr aber gleich wieder einen Dämpfer auf ihre überschwänglichen Gefühle. »Jason Ghost ist ein Hunter der Firma. Er hat talentierte Kinder den Eltern entführt, damit sie so leben, wie du gelebt hast. Früher, so musst du wissen, konnten die Kinder noch bei ihren Eltern bleiben, sofern diese bereit waren, die Andersartigkeit ihrer Kinder zu akzeptieren. Heute ist das nicht mehr möglich. Heute sind wir gezwungen, wie in einem Krieg, vor der Firma die Kinder zu finden und sie selbst zu entführen, damit sie nicht in deren Fänge gelangen. Es ist immer ein Wettlauf gegen die Zeit, den wir auch verlieren, wie du selbst am besten weißt.«
»Ja, ich weiß. Aber das ändert nichts daran, dass ich mir Sorgen um Jason mache. Ganz gleich, was er getan hat, mich hat er gerettet. Auch wenn er es war, der mich überhaupt erst entführt hat. Das zählt für mich nicht!«
Fearman sah sie prüfend an. »Erzähl mir von den Tests und der Art deiner Unterbringung!«, forderte er sie auf.
Berenice wich erschrocken zurück. So barsch hatte sie bisher niemand beim Ordo angesprochen und so fühlte sie sich zurückversetzt in eine kleine Zelle mit einem winzigen Fenster und einer summenden Neonröhre an der Decke. Erst wollte sie nicht erzählen, da sie der Meinung war, dass es diesem Arzt nichts anging, dann sah sie jedoch in dessen Augen. Sie schimmerten goldgelb im schrägen Licht, das durch das Fenster drang. Nachtlingsaugen.
Leise und etwas stockend berichtete Berenice das,
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