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Die Akte Daniel (German Edition)

Die Akte Daniel (German Edition)

Titel: Die Akte Daniel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: She Seya Rutan , Neko Hoshino
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Zeit hilflos gewesen. Und jetzt konnte er sich endlich ernsthaft mit dem Gedanken befassen, seinem Gefängnis zu entfliehen. Die Frage war nur, ob er das überhaupt noch wollte. Das hatte er sich bisher nicht beantworten können, was ihm Sorgen bereitete.
    Er wandelte vielmehr mit einer Ruhe in sich durch die Gänge seines Gefängnisses und sah nicht einmal nach, ob es Stellen und Möglichkeiten gab, die eine Chance boten. Er fühlte sich auf eigentümliche Weise wohl und sicher. Fast wie ein Kind, das keine Sorgen kannte.
    Und in geradezu lächerlicher Erwartung harrte er darauf, dass Fearman kam. Sein schwarzer Panther.
    Dieser hatte sich seit Tagen nicht blicken lassen und Demetrius musste sich eingestehen, dass er ihm fehlte. Höchste Zeit, dass Fearman kam.
    Davon abgesehen war Fearman die einzige Person, die überhaupt mit Demetrius sprach. Die Bediensteten, die das Haus in Ordnung hielten, schienen sich wie Geister aufzulösen, sobald man sich ihnen näherte. Demetrius hatte nie die Gesellschaft anderer gesucht. Aber das hier war etwas anderes. Hier hatte er sogar mehrfach und erfolglos versucht, einen der Haushälter oder Diener oder wie auch immer die Leute hier genannt wurden, zu erwischen.
    Demetrius blieb am Fenster stehen. Er war in der Galerie im zweiten Stock, weil er hier die beste Aussicht auf das Anwesen hatte. Die Fensterfront zeigte hinaus in ein Waldgebiet. Davor breitete sich ein perfekt gepflegter Park aus. Ein Stück Gartenkunst, das die Augen und die Seele zu beruhigen trachtete.
    Er hatte ihn allerdings noch nie betreten; soweit reichte seine Ausdauer noch nicht. Aber das machte ihm im Augenblick nichts aus. Demetrius zog die Gardinen etwas weiter beiseite und beobachtete, wie zwei Vögel aus einem Gebüsch stoben und sich gegenseitig jagend über die Wiese flogen.
    »Willst du auch fliegen?«, hörte er den Bass seines Geliebten hinter sich.
    Demetrius wandte sich um. Er hatte Fearman nicht kommen hören; wie alle Nachtlinge bewegte dieser sich völlig lautlos, wenn er wollte. »Fliegen? Ohne Flügel ganz sicher nicht«, erwiderte er. »Du hast auf dich warten lassen.«
    Fearman zuckte mit der Schulter und wirkte auf unbestimmte Art unschuldig. »Nun, ich kann mich nicht immer um dich kümmern. Zudem bist du gut versorgt. Das erleichtert die Zeit meiner Abwesenheit.«
    »Gut versorgt, aha.« Das klang in Demetrius’ Ohren, als wäre er ein Haustier, das man ohne Probleme auch mal der Nachbarin anvertrauen konnte. Der Gedanke gefiel ihm nicht sonderlich. »Also keine dringenden Angelegenheiten, bei denen du unabkömmlich wärst?«
    »Im Moment nicht. Ich habe Zeit. Ich denke, du hast auch Zeit.« Fearman wandte sich ab, die Hände im Rücken verschränkt. Er ging langsam die Galerie entlang. Seine Füße rollten dabei weich ab, ein Anblick, der gewöhnlich reinen Genuss darstellte.
    Demetrius’ erster Impuls war es, seinem Geliebten zu folgen. Doch er beherrschte sich und sah wieder aus dem Fenster. Die beiden Vögel hatten sich auf einem Ast niedergelassen und hüpften umeinander herum; einmal voneinander weg, dann wieder aufeinander zu. Spätestens am Abend würden sie zueinandergefunden haben. Demetrius wandte sich vom Fenster ab und folgte Fearman.
    Er fand ihn im Salon. Der Kamin, der vor gut zwei Stunden ausgekühlt war, erwärmte jetzt wieder den Raum mit einem wunderbaren Feuer.
    Die Flammen flackerten fröhlich – völlig unangemessen in Anbetracht der Stimmung, die zwischen den beiden Männern herrschte. Fearman zog es vor, diese zu ignorieren, als er sich erhob und es sich auf dem Sessel bequem machte.
    Demetrius blieb in der Tür stehen. »Tee?«, fragte er. Inzwischen war er soweit, wieder den Anschein eines Gastgebers erwecken zu können. Es war genau genommen lächerlich, gab ihm aber ein Stück Kontrolle zurück.
    »Gern. Schwarz, mit fünf Stück Zucker ohne Milch.«
    Demetrius wunderte sich längst nicht mehr über diese übertrieben süße Zusammenstellung. Auch wenn es sich sonst nicht im Verhalten bemerkbar machte, Fearman musste wie alle Nachtlinge Unmengen an Energie speichern. Zehn Minuten später war Demetrius mit dem Tee zurück. Er stellte zierliche Porzellantässchen auf den Tisch und goss ein. Die Situation war so normal, dass sie schon wieder absurd wirkte.
    Fearman schien das nicht weiter zu tangieren. Er nahm seine Tasse entgegen und störte sich nicht daran, dass in seinen Händen das zarte Porzellan fast verschwand. Eine zartbesaitete Besitzerin dieses

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