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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Weile, »aber auch gar nichts ist von dem Fund übrig geblieben, außer …«
    »Außer?« Gropius sah Yussuf erwartungsvoll an.
    Aus seiner Innentasche zog der Palästinenser ein paar Fotos hervor. Es waren nicht die besten, eher Schnappschüsse, aber deutlich erkennbar ein Steintrog mit eingemeißelten Schriftzeichen an der Längsseite und, auf einem anderen Bild, eine Ansammlung von Knochen, darunter ein Schädel, ein Oberschenkelknochen und mehrere Wirbel.
    »Ich hatte so eine Ahnung«, meinte Yussuf und wischte mit dem Ärmel Fingerflecken von der Bildoberfläche. »Mr. Schlesinger wusste nicht, dass ich die Fotos gemacht habe. Sie können sie haben, wenn Sie wollen, Mr. Gropius.«
    »Wie? Schlesinger hat die Bilder nie gesehen?«
    »Nie. Als Mr. Schlesinger nach der Operation im St. John's Hospital entlassen wurde, ging alles ganz schnell. Er wollte nur noch weg, zurück nach Deutschland. Miss Yadin hat sich sehr seiner angenommen. Sie ist mit ihm nach Deutschland geflogen. Mir blieb nicht einmal Zeit, mich von Mr. Schlesinger zu verabschieden.«
    Gropius stand da wie gelähmt. Er starrte auf die Fotos, und seine Gedanken überschlugen sich. Kein Zweifel, Yussufs Bericht war keine Erfindung. Er fügte sich mosaikartig in alles, was er über Schlesinger in Erfahrung gebracht hatte.
    Gropius wusste nicht, wie lange er vor sich hin sinniert hatte, als der Palästinenser ihn in die Gegenwart zurückholte. »Ich weiß, das klingt alles etwas abenteuerlich, aber es ist die Wahrheit, so wie ich es erlebt habe. Der Fahrer wartet. Wenn Sie wollen, bringe ich Sie in Ihr Hotel.«
    Im Auto übergab Gropius dem Alten die zweite Hälfte der vereinbarten Summe, und Yussuf überreichte ihm die Fotos, genau sieben Stück.
    »Wer hat die Bilder bisher gesehen?«, fragte Gropius, während der Fahrer die Richtung zur King-David-Straße einschlug.
    »Niemand«, beteuerte Yussuf. »Ich sah keinen Grund, sie irgendjemandem zu zeigen, und vermutlich hätte mir ohnehin niemand geglaubt.«
    Das klang einleuchtend. »Und Sie?«, erkundigte sich Gregor vorsichtig. »Ich meine, glauben Sie, dass wirklich die Gebeine des Jesus von Nazareth in dem Steintrog waren? Immerhin liegt die Fundstelle ein gutes Stück von der Stelle entfernt, an der sich die Grabeskirche befindet.«
    Über Yussufs faltiges Gesicht huschte ein listiges Schmunzeln. »Darüber hat Mr. Schlesinger lange mit mir gesprochen. Ich muss gestehen, zu Beginn war ich eher skeptisch. Es sagt sich so leicht: Das sind die Knochen des Jesus von Nazareth. Aber wenn man die Konsequenzen ins Auge fasst, dann ist die Behauptung von ungeheuerlicher Bedeutung, für Christen, Juden und Muslime gleichermaßen.«
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet!«
    »Mr. Schlesinger pflegte zu sagen, die Wahrscheinlichkeit, dass Jesus an der Stelle der Grabeskirche bestattet wurde, ist weit geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass sein Grab irgendwo anders liegt. Denn die erste Grabeskirche wurde erst dreihundert Jahre nach seinem Tod errichtet, noch einmal dreihundert Jahre später wurde eine zweite Kirche gebaut und nach tausend Jahren eine dritte. Wer will da noch behaupten, die richtige Stelle zu kennen! Gegen Ende des 19. Jahrhunderts tauchten die ersten Zweifel auf. Der englische General Gordon behauptete nicht zu Unrecht, dass Gräber niemals innerhalb der Stadtmauern errichtet wurden. Die Grabeskirche liegt jedoch innerhalb der alten Mauern. Ein etwas außerhalb gelegenes Felsengrab, das der General entdeckte, wird noch heute von den anglikanischen Christen als die Begräbnisstätte von Jesus angesehen. Weil dafür aber der Beweis fehlt, suchte Mr. Schlesinger weiter und fand schließlich den Steintrog mit der Inschrift. Mr. Schlesinger hielt beides für authentisch, den Steintrog und die Knochen, und, um Ihre Frage zu beantworten, Mr. Gropius, ich auch.«
    Yussuf ließ den Fahrer vor der Einfahrt zum ›King David Hotel‹ anhalten. »Es wäre nicht gut, wenn man uns zusammen sähe«, meinte er augenzwinkernd.
    »Aber mich kennt doch hier niemand!«, rief Gropius entrüstet.
    »Oh, sagen Sie das nicht, Mr. Gropius. Dieses Land ist ziemlich klein, auch wenn es bisweilen die ganze Welt in Atem hält. Für einen Fremden ist es gar nicht so einfach hier, unbemerkt zu bleiben.«
    Gropius wusste nicht so recht, was er von Yussufs Worten halten sollte; aber bevor er ausstieg, richtete er an ihn die Frage: »Wo finde ich Sheba Yadin?«
    Der alte Palästinenser verzog das Gesicht. Endlich, und

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