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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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zu fallen drohte, und begann ohne Umschweife, wobei er langsam auf Crucitti zutrat: »Ich habe Sie rufen lassen, Monsignore …«
    Wie ein Kirchturm ragte der hoch aufgeschossene Crucitti vor dem untersetzten Kardinal in die Höhe, dass dieser den Kopf nach oben recken musste. Aber wie bei einem Gotteshaus, bei dem der Turm nur eine bescheidene Rolle spielt, während in dem unscheinbar niedrigen Kirchenschiff das eigentliche Geschehen stattfindet, hatte auch hier der kleinwüchsige, untersetzte Kardinal Calvi das Sagen.
    »Ich weiß«, fiel ihm Crucitti ins Wort und machte mit dem Kopf eine Bewegung zum Schreibtisch hin, auf dem die wichtigsten Tageszeitungen auflagen. »Eine dumme Geschichte. Der Mann hätte uns noch von großem Nutzen sein können.«
    »Wieso hätte? Dieser Mann wird uns noch von großem Nutzen sein!«, rief Calvi mit hoher Stimme. Dabei nahm sein fast kahler Schädel eine dunkle Farbe an.
    »Aber er wurde verhaftet!« Crucitti wich einen Schritt zurück. »Der Messaggero schreibt, der Professore aus Deutschland stehe unter Mordverdacht!«
    »Ist irgendetwas bewiesen? Kann man diesem – wie war doch der Name?«
    »Gropius!«
    »Kann man diesem Gropius einen Mord zutrauen?«
    Monsignore Crucitti, ein so genannter Spätberufener, dem eine dunkle Vergangenheit nachgesagt wurde, aber so genau wusste das niemand zu sagen, war innerhalb der leontinischen Mauern zuständig für Sicherheitsfragen, Spionage und Terrorismusbekämpfung. Crucitti antwortete: »Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall ist es eine sehr mysteriöse Geschichte.«
    »Schon wieder so eine mysteriöse Geschichte! Monsignore, es ist Ihre Aufgabe, solche Vorfälle zu verhindern. Warum haben Sie Professore de Luca nicht gewarnt? Er könnte heute noch leben und uns von Nutzen sein. Für alles können wir die Mafia auch nicht verantwortlich machen!«
    »Eminenza, Sie wissen doch, dass de Luca seinen Tod selbst verschuldet hat. Seine Geldgier wurde ihm zum Verhängnis. Als hätten wir ihm für seine Verschwiegenheit nicht genügend Geld in den Rachen geworfen. ›Niemand kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben; oder er wird sich dem einen zuneigen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!‹ Sagt der Evangelist Matthäus 6, 24.«
    »So, sagt er das, der Herr Evangelist!«
    »Gewiss, Eminenza. Jedenfalls könnte de Luca noch leben, hätte ihn nicht der Mammon dazu verleitet, sich vor Gott und der Kirche zu versündigen.«
    Kardinalstaatssekretär Calvi saugte nervös an seiner Gauloise und ließ den Rauch seitlich aus dem Mundwinkel entweichen, und dabei nuschelte er: »Sie reden wie ein Dorfpfarrer aus den Abruzzen.«
    Crucitti lief rot an vor Zorn, einer ganz und gar unchristlichen Tugend, und deshalb gab sich der Monsignore alle Mühe, seine Emotionen zu unterdrücken.
    »Sorgen Sie lieber dafür, dass dieser Gropius nicht auspackt. Das darf auf keinen Fall passieren. Haben Sie mich verstanden, Monsignore?« Calvis Stimme überschlug sich.
    »Der Professore sitzt in Untersuchungshaft, Eminenza! Was soll ich tun?«
    »Was Sie tun sollen?«, rief der Kardinalstaatssekretär in höchster Erregung, und dabei fiel ihm seine Zigarette aus dem Mund und hinterließ auf seiner Soutane eine Aschenspur. »Sie sollen diesen Gropius aus dem Gefängnis holen. Er darf keinesfalls einem Verhör unterzogen werden. Engagieren Sie den besten Avocato des Landes. Nehmen Sie Dottore Pasquale Felici. Er ist nicht nur der beste Anwalt, er verfügt auch über die besten Kontakte zur Justiz. Machen Sie dem Avocato klar, dass es für uns von allerhöchster Bedeutung ist, dass dieser Professore Gropius freikommt. Aber hüten Sie sich, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Ich kann mich doch auf Sie verlassen, Monsignore?«
    Crucitti faltete beide Hände wie zum Gebet und senkte den Kopf, als träte er vor den Altar, eine Geste, für die der Kardinalstaatssekretär durchaus empfänglich war, und dienernd erwiderte er: »Eminenza, ich werde tun, was in meiner Macht steht. Und in der Macht des Allerhöchsten!« Mit spitzen Fingern hob er die Zigarettenkippe vom Teppich auf.
    Der Kardinalstaatssekretär verzog sein Gesicht, dass die Furchen noch deutlicher sichtbar wurden, und zündete sich eine neue Zigarette an. »Wir verstehen uns«, bemerkte er hüstelnd, weniger einem Zwang gehorchend denn aus jahrzehntelanger Gewohnheit. »Erfinden Sie irgendeine Geschichte. Sagen Sie, der Professore aus

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