Die Akte Golgatha
Wissen zu Geld zu machen.«
»Treusorgende Mutter!«, bemerkte Francesca in einem Anflug von Ironie. »Also wie viel?«
»Zehntausend!«
Gropius verstand die Forderung des jungen Mattei und fasste Francesca am Arm. »Komm, die Summe ist vollkommen indiskutabel.«
Francesca machte eine entschuldigende Bemerkung und Anstalten, in ihren Wagen zu steigen, da rief Giorgio aufgeregt hinterher: »Signora, wenn Sie wollen, bin ich auch mit fünftausend zufrieden!«
Gropius schüttelte den Kopf. »Komm, wir fahren!«, wiederholte er.
»Meinetwegen auch mit viertausend oder dreitausend; aber das ist mein letztes Angebot!«, rief der Junge weinerlich, als Francesca den Wagen startete und Gas gab.
Hastig schwang sich Giorgio auf seine Vespa und fuhr auf der schmalen Landstraße neben dem Van her. Dabei gab er Francesca ein Zeichen, sie möge die Seitenscheibe herunterkurbeln.
Francesca kam der Aufforderung nach, und Mattei rief: »Signora, ich bin bereit zu verhandeln. Was bieten Sie?«
»Tausend«, sagte Gropius an Francesca gewandt, »biete ihm tausend und keinen Cent mehr. Halt an!«
Francesca trat auf die Bremse. »Tausend«, sagte sie, nachdem beide Fahrzeuge zum Stehen gekommen waren.
»In Ordnung!«, erwiderte Giorgio lachend, als hätte er selbst nicht an seine ursprünglichen Forderungen geglaubt. »Aber Sie verraten niemandem, woher Sie Ihre Information haben!«
»Nein«, erwiderte Francesca, »schon im eigenen Interesse!«
Während Gropius seiner Brieftasche fünf 200-Euro-Scheine entnahm, bockte Giorgio seine Vespa auf und trat an Francescas Wagen heran. »Mein Vater«, begann er, »hielt sich und seine Familie damals mit Gelegenheitsgaunereien über Wasser. Für ein paar tausend Lire machte er beinahe alles. In gewissen Kreisen wurde seine Adresse herumgereicht. Telefon gab es damals noch nicht in Zocca. Eines Tages erschien bei uns ein Mann und bot meinem Vater fünf Millionen Lire für einen Gefallen, wie er es nannte. Fünf Millionen, das klingt wie ein riesiges Vermögen, in Wahrheit waren es aber gerade mal zweieinhalbtausend Euro – trotzdem viel Geld für einen Mann aus Zocca. Sie wissen wofür. Versteht sich, dass mein Vater nicht Nein sagte.«
»Und der Name des Mannes?«, fragte Francesca ungeduldig.
»Schlesinger, ein Deutscher, Antonio Schlesinger.«
»Arno Schlesinger?«
»Richtig. Arno Schlesinger!«
Francesca und Gropius warfen sich einen vielsagenden Blick zu.
»Sie sind übrigens nicht die Ersten, die sich nach meinem Vater erkundigen«, fuhr Giorgio fort. »Bald nach dem Prozess, der damals durch alle Zeitungen ging, weil mein Vater nach dem Einbruch im Dom für Geld eine Frau umgebracht hatte, erschienen irgendwelche Leute und wollten wissen, ob Giorgio Mattei nicht ein Stück von dem Grabtuch für sich behalten hätte. Sie boten damals viel Geld. Aber leider – wir haben das ganze Haus auf den Kopf gestellt.«
»Die Sache bleibt unter uns!«, sagte Francesca und händigte dem Jungen die vereinbarte Summe aus. »Und viel Erfolg im Studium!«
Die Rückfahrt nach Turin verlief schweigsam. Gropius hing seinen Gedanken nach. Wenn er alles, was er bisher über Arno Schlesinger erfahren hatte, auf eine Reihe brachte, kam Gropius zu dem Ergebnis, dass Schlesinger nicht nur ein genialer Forscher, sondern auch ein dubioser Charakter war, der, besessen von einer Idee, alles daran setzte, um an sein Ziel zu gelangen. Offensichtlich hatte er dieses Ziel auch erreicht. Dafür sprach sein Bankkonto. Aber nicht nur dieses. Auch die Tatsache, dass er elend sterben musste, sprach dafür, dass er zu viel wusste.
Auf die Frage, wer bereit war, Schlesinger zehn Millionen Schweigegeld zu bezahlen, damit die Auferstehung des Jesus von Nazareth nicht widerlegt würde, gab es nur eine Antwort: der Vatikan. Die römische Kirche verfügte über genug Geld, um einen Einzelgänger wie Schlesinger zum Schweigen zu bringen. Und es gab nichts, worin diese Kirche mehr Erfahrung hatte als im Schweigen. Verglichen mit dem Sprengstoff, den Schlesingers Entdeckung in sich barg, waren zehn Millionen sogar eine Kleinigkeit – Peanuts.
Was Gregor Gropius betraf, ging es ihm längst nicht mehr allein um seine Rehabilitierung, darum, zu beweisen, dass er ein Opfer krimineller Machenschaften geworden war, die außerhalb seiner Verantwortung lagen, Gropius wollte, er musste die Hintermänner ausfindig machen, die im Verborgenen die Fäden zogen. Es war eine regelrechte Obsession, ein Zwang, den er nicht mehr
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