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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Hand. »Sie müssen hier Ihre Namen, Adresse und den Grund Ihrer Recherche eintragen«, meinte er geflissentlich. Er schien sehr ernst bei der Sache, offenbar bekam er nicht so häufig Besuch.
    Francesca nahm Gropius die Schreibarbeit ab. Unter ›Grund der Recherche‹ trug sie ein: Wissenschaftliche Forschung. Dann bat sie um Einsichtnahme in Zeitungsveröffentlichungen der Jahre 1987 und 1988.
    Es dauerte nicht lange, und der Archivar stellte vor ihnen zwei Pappkartons in Form von Schubladen auf einen Tisch und knipste die Lampe an. Zufrieden kehrte er an seinen Schreibtisch zurück und widmete sich den Eintragungen, die Francesca gemacht hatte.
    »Das sind mindestens dreihundert Zeitungsausschnitte pro Schublade«, bemerkte Gropius im Flüsterton mit einem angewiderten Blick auf das zu sichtende Material. »Wenn wir damit bis heute Abend durch sind, können wir von Glück reden.«
    Francesca hob die Schultern, als wollte sie sagen: Was sollen wir machen? Schließlich entgegnete sie flüsternd: »Sindonologen geben nie auf, selbst wenn es Tage dauert!«
    Gropius unterdrückte ein Lachen. »Sindonologen?«
    »Grabtuch-Forscher!«
    »Das wusste ich nicht, sorry.«
    »Ist auch keine allzu große Bildungslücke, denn außerhalb von Turin und von ein paar Experten auf dem Gebiet abgesehen kennt kaum jemand die Berufsbezeichnung. In England, wo es übrigens eine ähnliche Society gibt wie diese, nennt man sie ›Shroudies‹.«
    Da platzte Gropius heraus, dass der Archivar aus seiner Ecke einen strafenden Blick sandte, weil der letzte Lacher in diesem Saal Jahre zurücklag. »Es klingt einfach zu komisch«, gluckste er über seinen Archivkasten gebeugt.
    Kaum hatte sich Gropius beruhigt, hielt Francesca plötzlich inne. »Da ist ein Prozessbericht vom September 1987 aus dem römischen Messaggero . Die Überschrift lautet: ›Wer zerschnitt das Turiner Grabtuch? Vor einem Gericht in Turin begann der Prozess gegen Giorgio M. und Bruno V. – Die Angeklagten legten ein Geständnis ab, sie seien in den Turiner Dom eingedrungen und hätten für einen unbekannten Auftraggeber ein Stück des Grabtuches herausgeschnitten. Das Urteil soll am Freitag verkündet werden.‹ Und hier ein anderer Bericht aus dem Corriere della Sera: Sensationelle Wende im Grabtuchprozess – Haben die Angeklagten zwei Morde auf dem Gewissen?«
    Francesca zog einen Zeitungsausschnitt nach dem anderen hervor. Der französische Figaro berichtete ebenso über den Fall wie die Londoner Times. Die deutsche Zeitung Die Welt widmete dem Prozess eine halbe Seite.
    Mit Befremden stellte Gropius fest, dass die Namen, die Avocato Felici genannt hatte, nicht mit den in den Zeitungen genannten übereinstimmten. Während die übrigen Zeitungen die Namen der Angeklagten abkürzten, berichtete die Londoner Times, bei den Angeklagten handle es sich um die Berufsverbrecher Giorgio Mattei und Bruno Valetta. Auch stammten sie nicht, wie von Felici behauptet, aus Vincoli, sondern aus Zocca, nicht weit von Alessandria entfernt.
    Als Gregor Francesca auf diese Ungereimtheit aufmerksam machte, zog sie die Stirn in Falten und fragte: »Verstehst du das? Warum machte der Avocato falsche Angaben?«
    Gropius versenkte den Kopf in seine Hände und dachte nach; dann sah er Francesca an und erwiderte: »Dafür gibt es eigentlich nur eine Erklärung. Offenbar wollte mich Felici ganz bewusst auf eine falsche Fährte locken.«
    »Und was hat das zu bedeuten?«
    Gregor lachte bitter. »Wer immer Felicis Auftraggeber sein mögen, sie haben einerseits ein Interesse, dass ich meine Recherchen fortsetze, andererseits füttern sie mich mit falschen Angaben, die meine Arbeit behindern sollen. Das ist doch verrückt! Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll. Übrigens – die Welt schreibt, der Verteidiger der beiden Mafiosi sei ein gewisser Vittorio Zuccari gewesen, also keineswegs Pasquale Felici.«
    »Das deckt sich mit dem Bericht im Messaggero . Auch hier heißt der Verteidiger Zuccari und nicht Felici.«
    Ratlos schüttelte Gropius den Kopf. Seine Annahme, dass der Staranwalt ihn aus der Untersuchungshaft geholt hatte, damit er sich weiter dem Geheimnis widmen konnte, das Schlesinger umgab, schien auf einmal gar nicht mehr schlüssig. Hatte Felici die Aufgabe, ihn in eine Falle zu locken? Oder war er, Gropius, nur dazu ausersehen, Felici oder seine Hintermänner auf eine Spur zu bringen, die sie selbst nicht kannten?
    Nachdem sie dreißig, vielleicht vierzig

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