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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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unterdrücken konnte, wie die Sucht eines Lustmörders nach Frauen mit hochhackigen Stiefeln.
    Die frühlingshafte Nachmittagssonne vergoldete die sanfte Hügellandschaft, und sie hatten bereits die Hälfte des Weges zurückgelegt, als Gropius ein menschliches Bedürfnis überkam.
    »Kannst du mal kurz anhalten?«, bat er Francesca. »Bier zeigt bei mir eine verheerende Wirkung. Entschuldige!«
    Francesca lachte. »Ihr Männer habt es da wirklich einfach. Allein deshalb wäre ich manchmal ganz gerne ein Mann.«
    »Nein, bitte nicht!«, fiel ihr Gregor ins Wort. »Das wäre doch zu schade für mich.«
    An der Einmündung eines ungeteerten Feldweges brachte Francesca den Wagen zum Stehen, sie stellte den Motor ab, und Gropius verschwand hinter einem zaghaft grünenden Gebüsch. Man hörte Vogelgezwitscher in nächster Nähe und aus der Ferne einen seltsamen, immer wiederkehrenden hohen Ton wie den Hilfeschrei eines Vogels.
    Als Gregor zurückkehrte, schien er irgendwie verändert, nicht etwa, weil er sich erleichtert hatte, im Gegenteil, er wirkte konzentriert und angespannt und lauschte in die einsame Landschaft.
    »Warst du schon einmal hier in der Gegend?«, fragte er unvermittelt.
    »Nie im Leben! Aber warum fragst du?«
    »Nur so«, wiegelte Gropius ab.
    Francesca schüttelte den Kopf. Gregors veränderte Haltung verunsicherte sie. Ratlos sah sie, wie Gropius sich auf dem Feldweg von ihr entfernte, stehen blieb, nach allen Seiten Ausschau hielt und erneut seinen Weg fortsetzte, den Kopf himmelwärts gerichtet wie ein Wesen von einem anderen Stern.
    Als er sich etwa hundert Meter entfernt hatte und auf ihr Rufen nicht reagierte, sperrte Francesca den Wagen ab und rannte Gropius auf dem holprigen Feldweg hinterher.
    »Gregor!«, rief sie im Näherkommen, »Gregor, willst du mir nicht endlich sagen, was los ist?«
    Gropius wandte sich um. In seinem Gesicht konnte sie lesen, dass Gregor mit seinen Gedanken weit weg war. Fast ängstigte sie sein Anblick.
    »Hier irgendwo hat man mich gefangen gehalten«, sagte er tonlos, »damals, als ich vor de Lucas Institut entführt wurde. Ich hatte Todesangst, zum ersten Mal in meinem Leben. Ich bin ganz sicher, es war hier ganz in der Nähe!«
    Ratlos, wie sie der Situation begegnen sollte, trat Francesca auf Gropius zu und legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Woher willst du das wissen, Gregor? Du sagtest doch, die Leute hätten dich bewusstlos geschlagen und dir einen Sack über den Kopf gestülpt!«
    »Haben sie auch. Aber irgendwann kam ich einmal kurz zu mir, und da hörte ich diesen Ton. Übrigens auch später in dem Raum, in dem ich auf den Stuhl gefesselt war. Hörst du es?« Gregors Stimme klang aufgeregt, und um seiner Frage Nachdruck zu verleihen, ergriff er Francescas Handgelenke und drückte sie mit aller Kraft.
    Francesca wollte schreien vor Schmerz, aber sie hielt sich zurück, weil sie merkte, wie sehr die Situation Gropius aufwühlte.
    Wieder lauschte Gropius, den Kopf in den Nacken gelegt, dem klagenden Ton. »Komm!«, sagte er plötzlich und zog Francesca im Laufschritt mit sich fort. Ein Stück liefen sie auf dem Feldweg entlang, überquerten ein frisch gepflügtes Feld und kletterten eine Böschung hinan, den klagenden Lauten folgend, die immer näher kamen, bis sie, erschöpft und nach Atem ringend, auf einem Erdwall Halt machten.
    »Da!«, sagte Francesca staunend und zeigte in ein riesiges Erdloch, gewiss hundert Meter tief und fünfhundert Meter im Durchmesser – ein Steinbruch von gewaltigem Ausmaß. Auf dem Grund der Grube fuhrwerkte ein riesiger Bulldozer. In seiner Schaufel verschwand eine ganze Wagenladung Gestein, das er aus der Felswand schürfte, und wenn er rückwärts fuhr, um seine tonnenschwere Fracht an anderer Stelle abzulagern, gab er zur Warnung einen jaulenden Signalton von sich: Wui, wui, wui, wui …
    Gropius hielt Francescas Hand. »Dieses Geräusch werde ich mein Leben lang im Gedächtnis behalten«, sagte er mit gepresster Stimme. Er hatte Mühe, den Lärm des Bulldozers zu übertönen.
    Vom Rand des Steinbruchs konnte man kilometerweit sehen. Die karstige Landschaft schien unbesiedelt und menschenleer bis auf ein uraltes Gehöft, das sich, eingerahmt von zartgrünem Buschwerk, kaum sichtbar auf einer Anhöhe versteckte.
    »Ich glaube zu wissen, was du vorhast«, bemerkte Francesca.
    Gropius nickte, ohne seine Blickrichtung zu ändern. »Es ist nicht ganz ungefährlich. Du solltest besser zum Auto zurückgehen!«
    »Glaubst

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