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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen. Er wohne doch hier?
    Bruno? Der Mechaniker machte ein verdutztes Gesicht und musterte die Fremden mit zusammengekniffenen Augen. Bruno? Ja, der sei vor etwa zehn Jahren ausgewandert, antwortete der Mann, nach England oder Schweden, er habe die Werkstätte von Bruno übernommen und seitdem nie mehr etwas von ihm gehört.
    Obwohl er nicht jedes einzelne Wort verstanden hatte, begriff Gropius sofort, dass sie auch hier auf eine Mauer des Schweigens stießen und sich kaum eine Möglichkeit bieten würde, irgendetwas über den Grabtuchraub in Erfahrung zu bringen.
    »Komm!«, sagte er resigniert und zog Francesca fort. Und da Zocca nicht gerade der Ort war, in dem man seinen Urlaub verbringen will, beschlossen sie, nach Turin zurückzukehren.
    Am Scheibenwischer von Francescas Wagen klemmte ein Zettel.
    »Was ist das?«, fragte Gropius neugierig.
    Francesca las: ›Wenn Sie interessiert sind, etwas über Mattei und Valetta zu erfahren – ich warte auf Sie an der Brücke, die über den Tanaro führt.‹
    Gropius sah sich um. Auf dem Dorfplatz war keine Menschenseele zu sehen. »Was sollen wir davon halten?«, meinte Gregor.
    »Tanaro«; sinnierte Francesca vor sich hin, »das kann nur der Fluss unten im Tal sein. Ich erinnere mich an eine Brücke, ja! Offenbar gibt es in diesem gottverdammten Nest doch noch Menschen, die etwas zu sagen haben. Komm, steig ein!«
    Während der Fahrt auf der engen, mit Schlaglöchern übersäten Straße talwärts äußerte Gropius Bedenken, ob sie überhaupt auf das Treffen eingehen sollten. Aus Erfahrung war er misstrauisch geworden, im Übrigen glaubte er nicht mehr an einen Erfolg der Mission. Aber da die Brücke nun einmal am Weg lag, erklärte er sich einverstanden.
    Als sie sich der Brücke näherten, erkannte Francesca den jungen Mann, der in der Trattoria am Nebentisch gesessen hatte, wieder. Er hatte seine Vespa an die Brückenmauer gelehnt und wartete, die Ellenbogen rückwärts auf das Geländer gestützt.
    Francesca stieg aus, während Gropius im Wagen zurückblieb.
    »Was wollen Sie von Giorgio Mattei?«, kam der junge Mann gleich zur Sache. Er mochte etwa zwanzig sein, trug Jeans und eine billige Lederjacke, machte aber keinen ungepflegten Eindruck. »Ich habe Ihr Gespräch mitbekommen. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
    Scheu blickte Francesca sich um, dann gab sie Gregor ein Zeichen auszusteigen. »Wer sind Sie, und was wissen Sie über Giorgio Mattei?«, fragte sie den Jungen. Inzwischen war Gropius hinzugekommen.
    »Ich bin Giorgio Mattei«, erwiderte der Junge, »der Sohn des Mannes, für den Sie sich interessieren. Ich hielt es für besser, wenn niemand in Zocca bemerkt, dass ich mich mit Ihnen unterhalte. Wissen Sie, die Matteis und Valettas sind in Zocca in gewisser Weise geächtet. Meine Mutter hat sogar wieder ihren Mädchennamen angenommen, um die Vergangenheit vergessen zu machen.«
    »Und Sie?«
    »Nun, ich will nicht gerade sagen, ich bin stolz auf den Namen Mattei, aber ich muss mich auch nicht verleugnen. Man kann mich nicht für die Tat meines Vaters verantwortlich machen. Warum interessieren Sie sich eigentlich für meinen Vater? Er sitzt lebenslänglich, und wie es aussieht, wird er auch nicht eher freikommen. Ich weiß, wovon ich rede, ich studiere Juristerei.«
    Francesca und Gropius sahen sich erstaunt an. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik. »Sie ahnen vielleicht, worum es geht«, bemerkte Francesca, »jedenfalls nicht um den Mord, weshalb Ihr Vater lebenslang einsitzt.«
    Giorgio schob die Unterlippe vor und nickte. »Sie wollen wissen, wer meinem Vater den Auftrag gegeben hat, ein Stück aus dem Grabtuch herauszuschneiden.«
    »Deswegen sind wir hier. Die Sache ist in einem anderen Zusammenhang von Bedeutung! Wissen Sie mehr über den Fall?«
    »Hm.« Der Junge gab sich spröde. »Und wenn ich mehr wüsste?«, fragte er rhetorisch. »Wissen Sie, so ein Studium ist teuer, und Sie haben ja gesehen, dass die Trattoria meiner Mutter kaum etwas abwirft. Ich muss mir mein Studium praktisch selbst verdienen.«
    »Er will Geld!«, raunte Francesca Gropius zu.
    Gropius musterte den Jungen, dann erwiderte er: »Frag ihn, ob er wirklich den Namen des Auftraggebers seines Vaters kennt.«
    Francesca kam Gregors Aufforderung nach, und der Junge nickte. »Er nannte meiner Mutter den Namen, und meine Mutter sagte ihn mir. Sie meinte, falls ihr einmal etwas zustoße, hätte ich vielleicht die Möglichkeit, mein

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