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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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senkrecht vor die Brust. »Dir ist doch wohl klar, dass wir uns in einer verdammt gefährlichen Situation befinden!«
    Gropius wurde übel. Ihm war, als wollte sich sein Magen nach außen stülpen. Francesca bemerkte die Blässe in seinem Gesicht und drängte Gregor aus dem Zimmer hinaus ins Freie, wo der Pitbull erneut zu kläffen begann.
    »Wenn jemand hier wäre, hätte man uns längst bemerkt«, meinte Gropius und sah sich nach allen Seiten um. »Ich will wissen, was hier gespielt wird. Und jetzt steck deine Waffe weg!«
    »Wie du meinst, Gregor«, erwiderte Francesca. Sie klang etwas beleidigt, aber sie ließ die Pistole unter ihrem Blazer verschwinden. Dann wandten sie sich dem Wohngebäude in der Mitte zu.
    Drei Steinstufen führten zu einem Portal, das von zwei Säulen eingerahmt wurde, die eine kleine Loggia trugen. Links und rechts vom Eingang gab es je drei vergitterte Fenster. Den hölzernen Läden war anzusehen, dass sie seit Jahren nicht mehr benutzt wurden. Über dem halbhohen Erdgeschoss lag ein erstes Stockwerk, und das Dach mit flacher Neigung unterschied sich in keiner Weise von der ziegelgedeckten Eintönigkeit anderer Dächer in der Gegend.
    Der Eingang war verschlossen. Um ins Haus zu gelangen, gab es nur eine Möglichkeit: Sie mussten über die Loggia im oberen Stockwerk einsteigen, und das war durchaus riskant. Würden sie dabei überrascht, saßen sie in der Falle, denn die fensterlose Rückseite des Gebäudes grenzte an die Umfassungsmauer.
    Nie im Leben hätte sich Gropius so viel kriminelle Energie zugetraut, einen Einbruch zu riskieren; aber in ihm hatte sich großer Zorn aufgestaut. Er wollte mehr über die Kerle wissen, die ihn brutal zusammengeschlagen und mit dem Tode bedroht hatten. Und deshalb zögerte er keinen Augenblick.
    Vor dem linken Gebäude, eine Art Scheune mit einem großen Tor, stand ein altes leeres Weinfass. Gropius rollte es vor eines der Fenster des Wohntrakts, stellte es senkrecht auf und schwang sich hinauf. Mit den Händen klammerte er sich an das Fenstergitter und lugte in das Innere. Dann drehte er sich um und sagte zu Francesca, die Gregors Mut und Entschlossenheit mit Bewunderung verfolgt hatte: »Komm rauf, das musst du gesehen haben!« Er streckte ihr die Hand entgegen.
    Francesca kam seiner Aufforderung nach. Sie war neugierig, was sich in dem Gebäude verbarg. Vieles hätte Francesca in dem geisterhaften Haus vermutet, aber was sie sah, versetzte sie in Erstaunen. Vor ihnen tat sich eine gut sortierte Folterkammer auf, ein nüchternes Kabinett mit unterschiedlichen Werkzeugen, die geeignet schienen, Schmerz zuzufügen: Peitschen, Geißeln mit Widerhaken, Bauch- und Beingürtel mit Dornen und eine hölzerne Streckbank mit Rollen am oberen und unteren Ende.
    »Wenn meine Augen mich nicht trügen«, bemerkte Francesca, ohne Gropius anzusehen, »dann werden hier Menschen gequält. Was sind das für Leute, Gregor? Ich dachte, die Zeiten der Inquisition sind vorbei.«
    »Das dachte ich auch. Aber wie du siehst, erlebt man immer wieder Überraschungen.«
    »Und warum gerade hier?«
    »Das wüsste ich auch gerne«, erwiderte Gropius und wandte den Blick schräg nach oben zu der Loggia über dem Eingangsportal.
    Francesca fing seinen Blick auf und sagte: »Du willst doch nicht etwa …«
    »Doch. Ich muss herausfinden, was hier vor sich geht.«
    Mit einem Satz sprang Gregor von dem Weinfass herunter und streckte Francesca die Arme entgegen.
    Das Tor der Scheune war nur angelehnt. Als sie es öffneten, schlug ihnen der Geruch modrigen Heus entgegen. Im Hintergrund erkannten sie unter Spinnweben einen alten, zusammengebrochenen Leiterwagen, wie er den Bauern der Gegend früher zum Heu-Einfahren gedient hatte. Darauf lag eine Holzleiter, nicht gerade Vertrauen erweckend, aber die einzige Möglichkeit, um auf die Loggia zu gelangen.
    Gemeinsam trugen sie die Leiter ins Freie, und während Francesca bemüht war, den Hund zu beruhigen, entfernte Gropius die Spinnweben mit bloßen Händen. Die Leiter reichte nur knapp bis zur Loggia, aber Gregor, der sich als Erster nach oben wagte, überwand mit einem Klimmzug die Brüstung. Francesca folgte ihm auf die gleiche Weise.
    Wie nicht anders zu erwarten, war der Zugang zur Loggia von innen verschlossen. Durch die Scheiben erkannten sie einen Vorraum, von dem sich nach beiden Seiten ein Korridor öffnete. Gropius warf Francesca einen flüchtigen Blick zu, dann stellte er sich mit dem Rücken zur Tür, winkelte den rechten Arm

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