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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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einem Mal in anderem Licht.
    Gropius' Welt war aus den Fugen geraten. Während er in seinem Haus ratlos vor sich hin sinnierte, wurde er sich seiner Hilflosigkeit, ja seiner Ohnmacht immer stärker bewusst.
    Da klingelte das Telefon.
    »Staatsanwalt Renner.«
    Ach Sie, Sie haben mir gerade noch gefehlt, wollte Gropius sagen, aber dann besann er sich doch eines Besseren und fragte höflich: »Was kann ich für Sie tun? Was gibt es Neues?«
    »Neues? Haben Sie die Morgenzeitungen noch nicht gelesen, Professor?«
    »Nein«, erwiderte Gropius, »ich will den Mist auch nicht lesen.«
    »Sollten Sie aber, sogar in Ihrem eigenen Interesse. Was sagen Sie zu dieser Schlagzeile: ›Patient Opfer der Organmafia?‹«
    Das Gespräch stockte.
    »Haben Sie mich verstanden?«, erkundigte sich Renner nach einer schier endlosen Pause.
    »Ja«, antwortete Gropius zögernd. Er wusste, dass er sich jedes Wort genau überlegen musste.
    »Und was sagen Sie dazu, Professor?«
    »Ich halte das schlichtweg für unmöglich. Nicht an unserer Klinik! Im Übrigen sähe ich keinen Sinn darin, ein Transplantationsorgan zu präparieren und einen Patienten zu töten.«
    »Das sehe ich anders. Ich könnte mir die unterschiedlichsten Motive für diese ehrenwerten Herren vorstellen.«
    »Sie machen mich neugierig, Herr Staatsanwalt!«
    »Zum Beispiel könnte der hinterhältig herbeigeführte Tod eines Patienten eine Warnung an Sie sein, mit ihnen zusammenzuarbeiten.«
    »Aber das ist doch nicht Ihr Ernst, Herr Staatsanwalt. Sie wollen mir doch nicht unterstellen, ich würde mit der Mafia zusammenarbeiten.«
    »Ich unterstelle gar nichts, Professor Gropius! – Kennen Sie einen Dr. Prasskov?«
    Gropius erschrak. Die Wirrnis, die seit ein paar Tagen von seinem Gehirn Besitz ergriffen hatte, machte ihn ängstlich.
    »Prasskov?«, fragte Gropius unschlüssig zurück. »Was hat Prasskov mit der Sache zu tun?«
    »Ich habe Sie gefragt, ob Sie mit einem gewissen Dr. Prasskov bekannt sind!«
    »Ja. Flüchtig. Wir haben öfters zusammen Golf gespielt und manchmal anschließend einen getrunken.«
    »So, so. Beim Golfen werden ja bekanntlich die besten Geschäfte gemacht.«
    »Was heißt Geschäfte? Prasskov ist Schönheitschirurg. Er verdient sein Geld damit, reichen Damen die Kummerfalten aus dem Gesicht zu spritzen und sie an gewissen Stellen mit Silikon zu unterfüttern. Er macht seinen Job und ich den meinen. Ich verstehe Ihre Frage nicht. Was soll Prasskov mit meinem Fall zu tun haben?«
    »Das will ich Ihnen sagen, Professor, die Organmafia ist fest in russischer Hand. Nach Unterlagen des Bundeskriminalamts agieren in Westeuropa drei rivalisierende Banden, die Ihnen für viel Geld jedes gewünschte Organ verschaffen. Ein Herz oder eine Leber auf Bestellung, lieferbar innerhalb zwei Wochen. Mord ist für sie kein Thema, sie gehen buchstäblich über Leichen.«
    »Das mag ja sein; aber nicht jeder russische Arzt in Deutschland ist ein Mafioso!«
    »Sicher nicht«, erwiderte Renner, und mit einem gewissen Triumph in der Stimme meinte er: »Aber dann können Sie mir vielleicht erklären, warum Dr. Prasskov so plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist.«
    »Was soll das heißen, Prasskov ist verschwunden?«
    »Er ist weg, über Nacht. Wir haben heute Morgen seine Praxisräume in Grünwald durchsucht. Alle Achtung, Mobiliar und Apparaturen, alles vom Feinsten, aber keine Unterlagen, keine Dokumente, nichts, was auch nur den geringsten Hinweis auf seine Tätigkeit gegeben hätte. Was sagen Sie dazu, Professor?«
    Gropius schnappte nach Luft. »Das ist in der Tat rätselhaft …« Mit einem Mal kamen ihm die geheimnisvollen Anrufe in den Sinn, die Stimme vom Tonband, die wiederholte Drohung, all das trug in der Tat die Handschrift der ehrenwerten Gesellschaft. Aber Alexej Prasskov ein Mafioso? Für ihn war Prasskov ein netter Kerl, trinkfest und unterhaltsam, manchmal sogar witzig und geistreich; vielleicht war jedoch gerade das die Maske, hinter der sich ein Mafioso versteckte. Selten sehen Mörder aus, wie man sich Mörder vorstellt. Persönliche Dramen, das hatte Gropius schon immer gewusst, entziehen sich jeder Logik und Wahrscheinlichkeit. Sie stürzen über einen herein wie ein Unwetter im Hochsommer, unberechenbar und unabwendbar. »Ich bin völlig durcheinander«, sagte Gropius, nur um sein langes Schweigen zu überbrücken.
    »Das wäre ich an Ihrer Stelle auch«, gab der Staatsanwalt kaltschnäuzig zurück. »Jedenfalls sieht es nicht gut aus

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