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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Stapeln alter Fotos, Briefe und Akten und kramte in ihrer Vergangenheit, als könnte sie dabei die Antwort auf die Frage nach Arnos Tod finden. Sie hatten erst vor vier Jahren geheiratet, in Las Vegas. Die Adresse war ihr gegenwärtig wie ihr Geburtsdatum: Las Vegas Boulevard 1717, Chapel of the Flowers.
    Erst drei Monate vorher waren sie sich zum ersten Mal begegnet, in Paris bei einem Kunstsammler, für den sie arbeitete. Von Liebe auf den ersten Blick konnte keine Rede sein, eher von Neugierde und Faszination; denn beide waren auf ihre eigene Art selbstsüchtig und anspruchsvoll. Jetzt war sie vierzig und Witwe – eine schreckliche Vorstellung, weil Witwen gemeinhin als alt und verhärmt gelten.
    Über ihre Zukunft brauchte Felicia Schlesinger sich keine Sorgen zu machen. Sie stand seit jungen Jahren auf eigenen Füßen und hatte sich als Kunstmaklerin einen Namen gemacht. Dass sie dabei manchmal mehr verdiente als Arno, hatte mit seiner Wissenschaft zu tun. Gelehrte werden selten fett.
    Doch an diesem Freitagmorgen geriet ihr Weltbild ins Wanken. Sie wusste nicht, wonach sie eigentlich suchte – denn Geheimnisse hatten sie ohnehin nicht voreinander gehabt –, aber plötzlich während des Sortierens liegen gebliebener Post hielt sie einen braunen Umschlag in Händen mit der Aufschrift UBS und ohne jede weitere Angabe. Eher gleichgültig öffnete sie das Kuvert und entnahm einen Kontoauszug der Schweizerischen Bankgesellschaft. Felicia musste zweimal Anlauf nehmen, um die zehnstellige Zahl zu identifizieren: 10.327.416,46 Euro, zehnmillionendreihundertsiebenundzwanzigtausendvierhundertsechzehn Euro, der Saldo eines Kontos auf den Namen Arno Schlesinger.
    Ungläubig schüttelte Felicia den Kopf. Was ging hier vor? Zehnmillionendreihundertsiebenundzwanzigtausendvierhundertsechzehn Euro! Ein Vermögen. Wie in aller Welt kam Arno zu so viel Geld? Er war doch gar nicht der große Moneymaker, der coole Geschäftsmann, der mal so nebenbei eine Million machte.
    Unsicher, ja ratlos legte Felicia den Kontoauszug beiseite und wandte sich erneut den alten Fotografien zu: Arno und Felicia in New York, die beiden auf Mauritius oder vor einem Hotel in Ravello. Mit einem Mal kam es ihr vor, als wäre der Mann auf den Bildern ein anderer, mit einem Mal schlug ihre Trauer in Wut um, Wut auf sich selbst, weil sie nicht halb so schlau war, wie sie geglaubt hatte, zu naiv jedenfalls, um zu merken, dass Arno irgendwelchen einträglichen Geschäften nachging. Warum nur, warum hatte er sie über diese Summe in Unkenntnis gelassen?
    Felicia stellte sich, ein Foto von Arno am Strand von Hurghada vor Augen, plötzlich die Frage, wer dieser Mann in der Badehose, mit dem sie vier Jahre verheiratet gewesen war, eigentlich war? Ein Hochstapler? Ein Betrüger? Resigniert musste sie sich eingestehen, dass sie ihren Mann offenbar nicht wirklich kannte. Nun gut, wir liebten uns, dachte sie, wir hatten passablen Sex miteinander und es gab kaum Streit; aber konnten wir deshalb behaupten, uns zu kennen?
    Objektiv betrachtet hatten sie viel zu wenig Zeit füreinander. Arno trieb sich monatelang im Orient herum, leitete Ausgrabungen in Syrien und Israel, und wenn er nach Hause kam, diktierte er endlose Berichte, oder er brütete über seinen Büchern. Ihr eigenes Leben verlief nicht viel anders. Ständig auf Achse, vermittelte sie kostbare Gemälde, Skulpturen und Möbel unter Sammlern in ganz Europa. Ihre Diskretion wurde geschätzt und gut bezahlt. Mit Felicias Hilfe konnten Sammler anonym bleiben und Steuern und teure Auktionshäuser umgehen, die bis zu vierundzwanzig Prozent für ihre Tätigkeit forderten. Sie selbst arbeitete für sieben Prozent des Schätzpreises, weshalb man sie in gewissen Kreisen auch ›Miss Sieben Prozent‹ nannte.
    An diesem Freitagmorgen wurde ihr jedenfalls klar, dass sie und Arno verheiratete Einzelgänger gewesen waren. Sie hatten Freunde, aber jeder nur die seinen.
    Sie konnte seine nicht leiden, und er mochte ihre nicht. Sie hielt seine Freunde für Langweiler, die nur für ihre Wissenschaft lebten – für ihre Wissenschaft, wohlgemerkt, denn von ihrer Wissenschaft konnten sie sich kaum über Wasser halten. Er bezeichnete ihre Freunde als überspannte Zeitgenossen, die nicht wussten, wohin mit ihrem Geld. Dass sie über dieses Thema, an dem schon manche Ehe zerbrochen ist, nie in Streit gerieten, grenzte an ein Wunder, entsprach aber den Tatsachen. Und das machte sie nachdenklich.
    Schlesingers Tod erschien mit

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