Die Akte Golgatha
Unfall her. Ich hatte da von vornherein meine Zweifel. Die Art der Gewebezerstörung ließ eher auf eine Explosion schließen. In der zerfetzten Leber fand ich schließlich ein Beweisstück für meine Annahme, einen Granatsplitter, vielleicht sogar ein Bombensplitter. Interessant, dass auch Sie davon nichts wissen sollten.«
Sichtlich mitgenommen erwiderte Felicia: »Verstehen Sie mich recht, Professor, ich habe meinen Mann geliebt. Aber er war nun einmal – wie soll ich sagen – ein Einzelgänger, und manchmal fragte ich mich, ob er mit mir oder mit seiner Wissenschaft verheiratet war.«
Gropius schmunzelte höflich und rührte in seiner Kaffeetasse, dann sagte er, während er Felicia mit festem Blick ansah: »Ich will natürlich nicht behaupten, dass die lebensbedrohenden Verletzungen bei der Explosion und das vergiftete Spenderorgan in einem Zusammenhang stehen. Aber Sie werden zugeben, dass das Ganze eine gewisse Abstrusität aufweist.«
Felicia stützte ihr Kinn auf die gefalteten Hände und blickte durch das Glasdach zum Himmel, als könnte dieser eine erklärende Antwort senden. Doch die blieb ihr versagt. Stattdessen überkam sie ein merkwürdiges Gefühl der Gemeinsamkeit. War ihr anfängliches Verhalten von Misstrauen geprägt, so verblasste ihr Argwohn allmählich zugunsten der Erkenntnis, dass ihr der Professor im eigenen Interesse behilflich sein könnte, Licht ins Dunkel von Schlesingers Vorleben zu bringen. Kein Zweifel, sie tanzten beide auf demselben Seil.
Ungeduldig nahm Gropius seine Rede wieder auf: »Gestatten Sie mir eine Frage, gnädige Frau. Gibt es rückblickend vielleicht noch andere Zufälligkeiten oder Merkwürdigkeiten im Leben Ihres Mannes?«
Spontan wollte Felicia antworten: Das kann man wohl sagen!, aber sie zählte nicht zu den Frauen, die schneller sprechen als denken. Und obwohl sie das eben Gehörte in ihrem Innersten aufwühlte, hatte sie sich fest im Griff und erwiderte: »Durch das, was Sie eben gesagt haben, ergibt sich für mich ein ganz neues Bild. Um Ihre Frage zu beantworten, muss ich erst länger nachdenken.«
Gropius nickte. Das Treffen war besser gelaufen, als er erwartet hatte. Felicia Schlesinger hätte ihm auch abweisend oder mit schlimmen Vorwürfen begegnen können. So aber verabschiedete er sich von ihr mit einem angedeuteten Handkuss und dem gegenseitigen Versprechen, sich ein zweites Mal zu treffen.
Weder Gropius noch Felicia Schlesinger bemerkten, dass sie aus einiger Entfernung beobachtet und mit einem Teleobjektiv fotografiert wurden.
»Sie werden erstaunt sein«, sagte Lewezow mit stolzem Gehabe, »jedenfalls haben Sie Ihr Geld nicht umsonst ausgegeben.« Veronique Gropius und der Detektiv hatten sich in jenem Bistro am Englischen Garten eingefunden, in dem schon das erste Treffen stattgefunden hatte.
»Nun reden Sie schon«, meinte Veronique ungeduldig, »Sie machten da so eine Andeutung.«
Lewezow umklammerte einen großen Umschlag und wagte nicht, Veronique Gropius anzusehen. Er wollte etwas Wichtiges, etwas für ihn Wichtiges sagen. Schließlich würgte er umständlich hervor: »Es ist üblich, Detektivarbeit im Falle außergewöhnlicher Erfolge über die vereinbarte Summe hinaus zu honorieren. Darf ich annehmen …«
»Ach das ist es!« Veroniques fahrige Bewegungen verrieten große Aufgeregtheit, und während sie in der Handtasche nach ihrem Scheckbuch kramte, meinte sie giftig: »Lewezow, ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich mich im Erfolgsfall nicht kleinlich zeigen werde. Also, was wollen Sie?«
Dem Detektiv kamen Zweifel, ob der Satz nur rhetorisch gemeint war oder ob sie eine konkrete Summe hören wollte. Aber weil es ihm um nichts anderes als um Geld ging und weil er von der Bedeutung seiner Recherchen überzeugt war, erwiderte er: »Noch einmal fünftausend.«
Veronique zog ihre dunklen Augenbrauen hoch, dass sie zwei Halbmonde bildeten, und sah den Detektiv von unten an: »Nun gut, sollten Ihre Beobachtungen für mich zum Erfolg führen, bin ich bereit, diese Summe zusätzlich zu bezahlen. Aber erst will ich wissen, was Sie herausgefunden haben.«
Da zog Lewezow sechs Fotos im Format 18 mal 24 aus dem Umschlag hervor und legte eines nach dem anderen vor Veronique auf den Tisch. Die Bilder zeigten Gropius mit einer Frau im Nymphenburger Schlosspark.
Veronique warf Lewezow einen misstrauischen Blick zu und sagte dann: »Gropius ist nun einmal ein Frauentyp, er hat viele Bekanntschaften, diese allerdings kannte ich noch nicht.
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