Die Akte Golgatha
Na ja, in diesem Fall kann man ihm einen gewissen Geschmack nicht absprechen.« Enttäuscht schob sie die Fotos zu Lewezow über den Tisch.
Der aber sah nun seinen großen Auftritt gekommen, und mit einem überlegenen Lächeln sagte er: »Es war nicht einfach herauszufinden, wer die Frau auf den Bildern ist. Mit einem gewissen Aufwand ist es mir schließlich gelungen.« Aus seinem Jackett zog er einen Zeitungsbericht über den Transplantationsskandal hervor und deutete auf ein Bild: »Hier, sehen Sie, diese Frau ist mit jener im Schlosspark identisch.«
Veronique las die Bildunterschrift: ›Felicia Schlesinger, die Witwe des auf mysteriöse Weise getöteten Patienten‹.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, murmelte Veronique mehrmals leise vor sich hin, während ihr Blick unruhig zwischen dem Bild in der Zeitung und Lewezows Fotos hin- und herging.
»Wir wissen beide um den Verdacht, der sich dabei aufdrängt«, bemerkte der Detektiv mit ernstem Gesicht.
»Ich kann es nicht glauben.« Veronique schüttelte den Kopf. Sie hatte Gregor viel zugetraut, aber dass er fähig sein sollte, einen Mord zu begehen? Doch fraglos fügte sich alles nahtlos ineinander: Gropius hatte mit Schlesingers Frau ein Verhältnis, und er hatte nach einer raffinierten Möglichkeit gesucht, ihren Mann zu beseitigen. Gropius' Intelligenz sprach für diesen Plan. Er war nicht der Mann, dem man einen plumpen Mord zutrauen konnte. Gropius war ein kühler Analytiker, der selten direkt auf ein Ziel zuging. Er gehörte zu den klugen Menschen, die wissen, dass nur in der Geometrie eine Gerade die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist und dass das Leben dieses Gesetz tagtäglich auf den Kopf stellt. Nur ein Mann wie Gropius, dachte Veronique, konnte einen so teuflischen Plan aushecken.
Lewezow holte sie in die Wirklichkeit zurück: »Ich meine, die Fotos sind natürlich noch kein Beweis dafür, dass der Professor Schlesinger auf dem Gewissen hat. Aber ein Zufall kann es ja wohl nicht sein, dass die beiden sich offenbar ziemlich gut kennen. Dazu kommen der ungewöhnliche Treffpunkt und die Tatsache, dass Gropius einen Umweg wählte, um nach Nymphenburg zu gelangen, als wollte er irgendwelche Verfolger abschütteln.«
»Und er hat Sie nicht bemerkt?«
»Unmöglich. Ich befand mich bei der Verfolgung nur selten in Sichtweite.« Lewezow zog einen silberfarbenen Knopf aus der Hosentasche hervor und hielt ihn mit spitzen Fingern vor Veroniques Augen. »Das ist ein Peilsender. Es ist mir gelungen, so ein Ding unter die Stoßstange seines Wagens zu kleben, als der Jaguar vor dem Haus parkte. Mithilfe eines Empfängers in meinem Wagen bin ich jederzeit über seinen Aufenthaltsort im Bilde.«
Veronique nickte anerkennend, füllte einen Scheck aus und reichte ihn Lewezow mit den Worten: »Gute Arbeit, wirklich, aber ich gehe davon aus, dass niemand, ich betone, niemand von der Sache erfährt!«
»Aber selbstverständlich.« Lewezow steckte die Fotos in den Umschlag und überreichte ihn Veronique. »Was Sie damit machen, ist Ihre Angelegenheit. Sollten Sie jedoch noch einmal meine Hilfe benötigen – ich bin immer für Sie da.«
Damit erhob er sich und verließ eilig das Lokal.
Nie hätte Veronique erwartet, dass der schwule Detektiv ihr in kurzer Zeit Material an die Hand geben würde, mit dem sie Gregor Gropius eine angemessene Abfindung abringen konnte. Lange genug hatte sie auf die Gelegenheit gewartet, ihn in die Knie zu zwingen. Jetzt war die Gelegenheit gekommen. Er musste, wollte er den Rest seines Lebens nicht im Gefängnis verbringen, auf alle Forderungen eingehen. Und ihre Forderungen würden nicht gering sein.
Gregors Stimme klang abgekämpft und unsicher, als sie ihn zu Hause anrief und eine Aussprache forderte. Das letzte Telefongespräch zwischen ihnen lag sechs oder sieben Wochen zurück, und natürlich war es wieder einmal um nichts anderes als um Geld gegangen. Für Gropius stand außer Frage, dass es auch diesmal um nichts anderes gehen würde; deshalb lehnte er Veroniques Ansinnen mit dem Hinweis ab, er habe zur Zeit viel um die Ohren und wenig Lust, über Geld zu reden. Was zu sagen sei, wäre ohnehin gesagt.
Er wollte gerade das Gespräch beenden und auflegen, als er Veronique am anderen Ende der Leitung rufen hörte: »Du solltest lieber nicht auflegen, sondern auf meine Forderung eingehen, wenn du nicht den Rest deines Lebens hinter Gittern verbringen willst.« Da hielt Gregor inne, und Veronique legte nach: »Du
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