Die Akte Golgatha
verloren. Emotionslos verfolgte er die holprige Landung einer kleinen Maschine, die zweimal wieder abhob, bevor sie endgültig am Boden blieb, da hielt dicht neben ihm ein alter Volkswagen: Lewezow.
Lewezow stieg aus, und Gropius kurbelte die Seitenscheibe herunter. »Ich hätte Sie hier nicht erwartet«, sagte der Detektiv. »Haben Sie gesehen, wer mit Fichte ins Flugzeug gestiegen ist?«
Gropius nickte stumm. Was sollte er schon sagen.
»Ziemlich feucht hier«, bemerkte Lewezow und hielt schützend die Hand über seine Augen. »Kommen Sie, hier gibt es eine Fliegerkneipe. Etwas Heißes kann uns nur gut tun.«
In dem Restaurant namens ›Fly in‹ waren fast alle Tische besetzt, nur neben dem hinteren Fenster, das von der Wärme beschlagen war und den Blick nach draußen verwehrte, gab es zwei freie Plätze. Sie bestellten heißen Tee mit Rum. »Rum mit etwas Tee«, wie Gropius korrigierte.
»Ein alter Freund ist hier Flugleiter«, begann Lewezow, »und wir kamen eher zufällig auf Flugzeuge und ihre prominenten Besitzer zu sprechen. Dabei fiel der Name Dr. Fichte. Natürlich war ich sofort hellwach und versuchte Näheres über Fichte in Erfahrung zu bringen. Leider Fehlanzeige. Peter Geller – das ist der Name meines Freundes – wusste nur, dass das Flugzeug gut und gerne eine Million kostet und auf Fichtes Namen zugelassen ist. Wenn Sie wollen, können Sie sich mit Geller auch persönlich unterhalten. Kommen Sie, Professor!«
Gellers Büro lag im oberen Stockwerk des Towers und zeichnete sich durch große Enge aus. Nachdem Lewezow und Gropius den knapp bemessenen Raum betreten hatten, war das kleine Zimmer voll. Geller, ein jugendlich wirkender Mann Mitte vierzig und in legerer Kleidung, saß vor einem Bildschirm und drei Telefonen und blickte kaum auf.
»Ach du schon wieder!«, meinte er schmunzelnd, und an den Professor gewandt erklärte er: »Sie müssen wissen, ohne Sticheleien geht es bei uns nicht. Was kann ich für Sie tun?«
Lewezow stellte den Professor vor, und Gropius sagte, es gehe um Fichte und sicher habe er bereits von Lewezow erfahren, worum es sich handle.
»Fichte?« Geller tat erstaunt. »Der ist gerade raus!« Dabei machte er eine Armbewegung himmelwärts.
»Ich weiß«, erwiderte Gropius, »mit meiner Frau. – Exfrau«, korrigierte er sich.
»Ach so. Tut mir Leid für Sie, Professor!«
Wenn Gropius etwas nicht vertragen konnte, dann war es Mitleid. Deshalb beeilte er sich zu beteuern: »Das braucht Ihnen wirklich nicht Leid zu tun.«
Geller nickte. »Verstehe.«
»Sagen Sie«, begann Gropius vorsichtig, »bei Ihnen werden doch alle Starts und Landungen im Computer gespeichert.«
»Ja.«
»Und jeder Pilot ist verpflichtet, seinen Zielflughafen anzugeben?«
»Schon aus Sicherheitsgründen, ja.«
»Dann könnten Sie mir also sagen, wohin Fichte in den – sagen wir – letzten drei Monaten geflogen ist.«
Geller sah Lewezow fragend an, und Lewezow nickte.
Etwas unwillig knurrte Geller: »Na gut, wenn ich Ihnen damit einen Gefallen erweise. Aber von mir stammt die Information nicht!« Der Flugleiter hackte lässig in seinen Computer, und nach wenigen Augenblicken spuckte der Drucker ein Blatt mit Zahlen und Namensreihen aus. Eines der Telefone gab einen leisen Summton von sich, gleich darauf tutete ein zweites.
Lewezow nahm Geller den Computerausdruck aus der Hand, Gropius bedankte sich, dann verschwanden beide nach unten.
Ihr Tisch in der Fliegerkneipe war inzwischen besetzt, aber ein anderer Fensterplatz war frei, und Lewezow und Gropius widmeten sich dem Computerausdruck. Die Aufzeichnungen gingen bis September zurück und umfassten insgesamt sechsundzwanzig Flugbewegungen: zwölf nach Nizza und vierzehn nach Prag.
Lewezow blickte auf und sah Gropius fragend an: »Verstehen Sie das, Professor? Ich meine, Nizza ist klar. Nizza ist der Flughafen für Monte Carlo. Hätte ich ein Appartement in Monte Carlo, würde ich auch jede freie Minute dort verbringen. Aber Prag? Was macht Fichte innerhalb von drei Monaten vierzehn Mal in Prag?«
»Das wüsste ich auch gerne«, sagte Gropius nachdenklich, »dann wären wir vermutlich einen großen Schritt weiter.« In seinem Kopf brodelte es. Unsicherheit, Argwohn, Verdacht und schlimmste Befürchtungen lösten einander ab. Und dass Fichte ausgerechnet mit seiner Exfrau ein Verhältnis haben musste – auf dem Papier war er schließlich noch immer mit ihr verheiratet –, das setzte dem Ganzen die Krone auf.
Auf dem Rollfeld
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