Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
bevorstehenden Lebertransplantation habe ich erst wenige Tage vor der Operation erfahren.«
    »Aber warum diese Geheimnistuerei?«
    »Die entsprach durchaus seinem Naturell. Arno war nicht der Typ, der zugab, wenn es ihm schlecht ging. Er ließ sich nicht gern in die Karten gucken und umgab sich nur allzu gern mit Geheimnissen. Heute glaube ich, das war seine Art, Macht auszuüben. Es bereitete ihm ein höllisches Vergnügen, mehr zu wissen als andere. Vermutlich ist er deshalb auch Ausgräber geworden, er wollte Dinge entdecken, die niemand vor ihm kannte.«
    Gropius nickte, dann fragte er eher beiläufig: »Hat Arno Schlesinger jemals eine Akte erwähnt, eine Akte von besonderer Wichtigkeit oder besonderem Wert?«
    »Ich kann mich nicht erinnern«, erwiderte Felicia unsicher. »Ja, er trug manchmal irgendwelche Akten mit sich herum, in denen er seine Forschungsergebnisse festhielt, Zeichnungen, Fotografien und Protokolle. Aber das ist für einen Altertumsforscher nicht ungewöhnlich.« Mit einer Bewegung des Kopfes wies sie ins Nebenzimmer. »Sie haben ja seine Aktenschränke gesehen. Arno selbst behauptete, dahinter verberge sich ein wohlgeordnetes System. Ich habe es eher als Chaos bezeichnet. Aber warum fragen Sie?«
    »Warum?« Gropius fühlte sich ertappt. Er verzog das Gesicht, als wollte er sich vor der Antwort drücken. Schließlich erwiderte er: »In Turin wurde ich nach einer wichtigen Akte gefragt, die sich angeblich in Schlesingers Besitz befand. Leider konnte ich nicht in Erfahrung bringen, worum es sich dabei handelt. Der Inhalt muss aber hochexplosiv sein.«
    Felicia neigte den Kopf zur Seite und zog die Augenbrauen hoch. »Was sollte ein Ausgräber schon Hochexplosives zu bieten haben?«
    »Immerhin wurden mir zehn Millionen Euro geboten, wenn ich die Akte beschaffe.«
    »Zehn Millionen? Von wem?«
    »Von de Luca und seinen Hintermännern.«
    »Sagten Sie nicht, Sie hätten de Luca nicht angetroffen?«
    »De Luca nicht. Aber seine Abgesandte, Signora Colella, ein hinterhältiges Frauenzimmer!«
    »Ach«, antwortete Felicia provozierend, einfach nur ›ach‹, aber dieses ›ach‹ klang so anzüglich, beinah spöttisch, dass Gropius ein gewisses Misstrauen herauszuhören glaubte, und nicht zum ersten Mal wurde er von Zweifeln geplagt, ob er überhaupt zum Lügen tauge.
    Noch während er darüber nachdachte, verschwand Felicia wortlos in Schlesingers Arbeitszimmer und kehrte mit einem Brief zurück. »Der kam dieser Tage mit der Post. Ich habe ihm zunächst keine Bedeutung beigemessen; aber jetzt mache ich mir meine Gedanken.« Sie nahm den Brief aus dem Umschlag und reichte ihn Gropius.
    Unter dem Absender ›Bank Austria, Zentrale, Wien‹ mahnte das Geldinstitut den Ausgleich der Jahresmiete für das Schließfach Nr. 1.157 an, andernfalls werde das Fach nach Ablauf einer Frist von drei Monaten gewaltsam geöffnet und sein Inhalt veräußert. Mit freundlichen Grüßen.
    »Wussten Sie von diesem Bankschließfach?«, erkundigte sich Gropius vorsichtig.
    »Nein«, erwiderte Felicia, »ich hatte davon ebenso wenig Ahnung wie von dem Millionenkonto in Zürich.«
    »Dann erübrigt sich die Frage nach dem möglichen Inhalt und ebenso die Frage, warum Schlesinger ausgerechnet in Wien ein Schließfach unterhielt.«
    Felicia nickte stumm; schließlich meinte sie: »Als Sie von der Akte erzählten …«
    »Ich glaube«, unterbrach Gropius, »wir haben beide denselben Verdacht.«
    »Haben wir etwa auch denselben Plan?« Felicia sah Gropius herausfordernd an. »Ich meine, wir könnten doch gemeinsam nach Wien reisen, um uns Klarheit zu verschaffen.«
    Gropius reagierte verhalten: »Verzeihen Sie, Felicia, das halte ich für keine gute Idee!«
    »Und warum nicht?«
    »Nun ja, ich glaube, dass wir beide unter ständiger Beobachtung stehen.«
    »Sie meinen die Polizei? Die hat die Observierung längst eingestellt.«
    »Nein, die meine ich nicht.«
    »Wer dann?«
    Gropius schluckte. »Als ich in Berlin war, musste ich feststellen, dass ich beschattet wurde. In Turin war eine Meute zwielichtiger Gestalten hinter mir her. Glauben Sie, in Wien blieben wir unentdeckt?«
    »Man müsste eben gewisse Vorkehrungen treffen!«
    »Ja, ja«, erwiderte Gropius geistesabwesend. In seinen Ohren klang Felicias Einwand naiv und raffiniert zugleich. Naiv, weil sie es nicht mit irgendwelchen Gelegenheitskriminellen zu tun hatten, sondern mit Gangstern auf hohem Niveau. Raffiniert, weil er eingestehen musste, dass er bisher nichts

Weitere Kostenlose Bücher