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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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lieben? Oder hast du deine Pläne inzwischen geändert? Ist deine Frau etwa besser als ich? Sag mir, wenn es der Fall ist. Ich tue alles für dich. Wir können mit den Millionen ein neues Leben beginnen, irgendwo in Europa oder Amerika. Sei versichert, ich kann schweigen wie ein Grab. Solltest du jedoch dein Versprechen nicht einlösen und zu deiner Frau zurückkehren, wäre ich gezwungen, mein Verhalten zu überdenken. Du weißt, was dieses Wissen wert ist. Doch daran möchte ich überhaupt nicht denken. Ich liebe dich und will dich haben. 
Dich, dich, dich! – Love, Shalom. Sheba.«
    Vor Felicias Augen begannen die grünen Zeilen zu zittern. »Mein über alles geliebter Maulwurf!«, zischte sie leise vor sich hin, und nach einer Pause fügte sie mit unüberhörbarem Hass in der Stimme hinzu: »Diese miese kleine israelische Schlampe!«
    In ihrer Wut knüllte sie den Brief zu einer Kugel, um ihn nach wenigen Augenblicken wieder auseinander zu falten und zu glätten wie eine Kostbarkeit. Dann las sie den Brief ein zweites Mal.
    Du bist ein dummes Luder, beschimpfte sie sich selbst, nachdem sie geendet hatte, warum hast du Schlesinger vertraut. Kein Mann, der die Hälfte seines Lebens aushäusig verbringt, verdient so viel Vertrauen! Der Inhalt des Briefes schmerzte. Es tat weh, nicht, weil es der schriftliche Beweis war, dass Arno sie betrogen hatte, nein, ihre eigene Gutgläubigkeit und Naivität bereitete ihr körperliche Pein. Und wenn ihr der Gedanke, dass Arno unter Gropius Händen zu Tode gekommen war, noch Probleme bereitet hatte, so hatte dieser Brief alle Bedenken zerstreut. Im Gegenteil, Felicia betrachtete Gregor als Rächer.
    Ihre zwielichtigen Gedanken wurden vom Klingeln des Telefons zerrissen. Mit jugendlicher Stimme meldete sich ein Dr. Rauthmann vom Archäologischen Institut der Humboldt-Universität Berlin. Höflich entschuldigte er sich zunächst für die Störung, dann sprach er Felicia mit umständlichen Worten sein Bedauern über den Tod Schlesingers aus, den er und alle Kollegen sehr geschätzt hätten.
    »Und was ist der Grund Ihres Anrufs?«, unterbrach Felicia die gestelzte Anteilnahme des Anrufers.
    Der Mann am anderen Ende der Leitung machte eine lange Pause, schließlich rang er sich zu der Antwort durch: »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass Ihr Mann zu den renommiertesten Forschern auf seinem Gebiet zählte. Er galt als Eigenbrötler, wie sie in der Wissenschaft heute eher selten sind. Aber Eigenbrötler, Männer, die ohne Rücksicht auf Konventionen ihr Ziel verfolgen, sind die wahren Helden der Wissenschaft. Ihr Mann hatte, wie Sie sicher wissen, auch manche Feinde, vor allem aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten. Sie erlaubten es ihm, Projekte in Angriff zu nehmen, welche von staatlichen Institutionen auf die lange Bank geschoben wurden. Wir alle haben ihn deshalb beneidet. Denn während die meisten von uns ihrer Arbeit am Schreibtisch nachgingen, verrichtete Ihr Mann seinen Job als Ausgräber vor Ort. Er kannte den Nahen und Mittleren Osten wie seine Westentasche und bereiste Orte, die den meisten von uns nur aus der Literatur geläufig sind. Beneidenswert, wirklich beneidenswert! Er konnte sich die Forschungsaufträge und die Institutionen, mit denen er zusammenarbeitete, aussuchen. Aber was rede ich, das wissen Sie alles selbst!«
    Der Lobgesang auf Schlesinger versetzte Felicia in Erstaunen; denn von Arno hatte sie, wenn er überhaupt von seiner Arbeit sprach, eher das Gegenteil vernommen. Mehr als einmal hatte er sich abfällig über die Wissenschaftsverwalter in den staatlichen Behörden und Instituten ausgelassen, sich sogar lustig gemacht über ihr einseitiges Denken und ihre beschränkten Möglichkeiten.
    »Und was kann ich für Sie tun, Herr Dr. Rauthmann?«, fragte Felicia mit Nachdruck.
    Rauthmann räusperte sich verlegen und suchte eine diplomatische Antwort: »Wie Sie wissen, arbeitete Ihr Mann zuletzt an einem Forschungsprojekt für die Universität Jerusalem. Darüber gab es bisher keine Veröffentlichungen. Wir, das heißt unser Institut, wären an dem Forschungsmaterial sehr interessiert. Sicher hat Ihr Mann eine Menge davon hinterlassen. Was gedenken Sie damit anzufangen?«
    »Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht«, erwiderte Felicia.
    »Ich verstehe. Bitte entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit. Wir möchten mit unserem Anliegen nur anderen Instituten zuvorkommen, die sich auch noch an Sie wenden werden. Davon bin ich überzeugt.

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