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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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die dritte Tasse, wobei er nicht versäumte, ein dienerndes »Bitte sehr, Herr Professor!« hinzuzufügen, eine Anrede, die man sich in Wiener Kaffeehäusern allein durch das Tragen einer Brille verdient.
    Nach flüchtigem Sichten legte der ›Professor‹ die Zeitungen auf einem Stuhl ab, und dabei fiel Gropius' Blick auf eine Schlagzeile der Kronenzeitung, der er zunächst keine Beachtung schenkte, die aber, kaum hatte er den Inhalt begriffen, wie ein Funkenstrahl durch sein Gehirn schoss.
    »Sie gestatten!« Ohne die Antwort des Tischnachbarn abzuwarten, nahm Gropius die Zeitung an sich und las: »Mysteriöser Mafiamord in Turin. Am Zusammenfluss der Flüsse Stura und Po im Norden von Turin wurde am Freitag ein Wagen mit der Leiche des Biochemikers Luciano de Luca aus dem Wasser gezogen. Der Wagen hatte ein Geländer der Uferstraße durchbrochen und war in die Flussmündung gestürzt. Ursprünglich hatte die Polizei angenommen, Professore de Luca, der in Turin ein Genlabor leitete, sei am Steuer von einem Herzinfarkt ereilt worden. Nach dem gestern veröffentlichten Obduktionsergebnis wurde de Luca jedoch durch eine Injektion des Insektengifts Chlorphenvinphos getötet. Der fingierte Unfall trägt die Handschrift der italienischen Mafia. Eine kriminaltechnische Untersuchung des Autowracks soll klären, wie es zu dem Unfall kam.«
    Wortlos und bleich wie ein Handtuch reichte Gropius Felicia die Zeitung.
    »Mein Gott!«, sagte sie leise, nachdem sie die Meldung gelesen hatte. »Ist das nicht jener de Luca, mit dem Arno sich in Berlin treffen sollte?«
    »Jener de Luca, den ich in Turin nicht angetroffen habe! Aber dem nicht genug – de Luca wurde mit der gleichen Injektion getötet wie Schlesinger: Chlorphenvinphos!«
    »Was hat das zu bedeuten?« Felicia sah Gropius lange durchdringend an. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich mit ihrem Blick an ihn. »Was hat das zu bedeuten?«, wiederholte sie mit leiser Stimme.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Gropius tonlos, »ich weiß nur, dass ich nicht allzu weit von dem Zustand entfernt bin, den man als Irrsinn bezeichnet. Bis vor wenigen Minuten war ich der Ansicht, de Luca sei der Drahtzieher, und jetzt ist er selbst zum Opfer geworden. Felicia, ich begreife das alles nicht. Bisher glaubte ich, ich könnte meinem Verstand und den Gesetzen der Logik vertrauen; aber das ist – wie man sieht – ein Irrtum. Wer sind diese Leute, und welches Ziel verfolgen sie?«
    Über den Tisch hinweg ergriff Felicia Gregors Hand; aber der war mit seinen Gedanken so weit weg, dass er die rührende Geste nicht einmal wahrnahm. »Ein bisschen Ablenkung könnte uns beiden guttun«, bemerkte Felicia zögernd. »In der Staatsoper steht ›Nabucco‹ auf dem Spielplan. Mögen Sie Verdi?«
    Gropius starrte noch immer auf die Zeitung, die vor ihnen auf dem Tisch lag. »Ob ich Verdi mag?«, fragte er irritiert zurück. »Ja natürlich.«
    »Gut, dann werde ich mich um Karten bemühen. Wir sehen uns im Hotel.«
    Später erinnerte sich Gropius nur noch vage an den Abend in der Wiener Staatsoper, und das hatte einen verständlichen Grund. Während Augen und Ohren lustlos dem Geschehen auf der Bühne folgten, bei dem es um die Knechtschaft der Israeliten in Babylon und die Rivalität zweier Frauen um König Ismael geht, spulte Gropius in seinem Gedächtnis immer wieder den Ablauf der vergangenen Wochen ab. Wie im Zeitraffer reihte er die Ereignisse aneinander, hoffend, er könne so zu irgendeiner Erkenntnis gelangen, doch er sah sich getäuscht. Nabucco, dem König von Babylon, und seinen Töchtern Fenena und Abigail gelang es nicht, ihn von seinen Gedanken an Luciano de Luca und die zwielichtige Francesca Colella abzubringen.
    »Der Opernbesuch war wohl doch keine so gute Idee«, meinte Felicia kleinlaut, nachdem sie ins Hotel ›Interconti‹ zurückgekehrt waren und an der Bar im Erdgeschoss einen Schlummertrunk nahmen.
    »Nein, nein«, unterbrach Gropius, »ich muss mich entschuldigen, ich hatte wirklich Schwierigkeiten, mich auf die Oper zu konzentrieren. Der Mord an de Luca hat mich zu sehr mitgenommen.« Zum ersten Mal an diesem Abend betrachtete er Felicia eingehend. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid mit breitem Seidenkragen und schmalem spitzem Ausschnitt, der ein tiefes V zwischen ihre festen Brüste zeichnete. Getrieben von Angst und Neugierde hatte er verdrängt, dass Felicia eine Frau war, eine verdammt attraktive Frau. Minutenlang herrschte beklommenes Schweigen.
    Das

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