Die Akte Golgatha
Prasskov.«
Milena sah Gregor lange an. »Ach – jetzt verstehe ich, Sie haben gar nicht Ihre Frau beobachten lassen«, erwiderte sie nach längerem Schweigen. »Sie brauchen ein neues – wie sagt man?«
»Organ?«
»Ja, Herz, Leber, Niere, alles was in einem Menschen so drin ist. Habe ich nicht gewusst. Ist auf jeden Fall sehr teuer! Und was kann ich für Sie tun?«
»Ich würde mir die Kliniken von Dr. Prasskov gerne einmal näher ansehen.«
»Wenn das alles ist.«
»Vorläufig ja.«
»Und kein Hanky-Panky?«
»Vorläufig nein.«
»Also gut, wo wollen Sie zuerst hin?«
»Wo ist es schöner?«
»In Podĕbrady natürlich. Ist ein Kurort. In Mlada Boleslav gibt es nur Skoda, alte Häuser und viel Gestank.«
»Dann fahren wir nach Podĕbrady.«
Der kleine Toyota-Sportwagen war nicht gerade bequem, aber wieselflink, und Milena jagte ihn mit sichtlichem Vergnügen über die Autobahn.
»Ist das nicht gefährlich?«, meinte Gropius zurückhaltend, als die Tachonadel bei hundertfünfzig Stundenkilometern tanzte. »Ich meine wegen der Geschwindigkeitsbeschränkung.«
»Ach was!« Milena winkte ab. »In diesem Land ist jeder bestechlich. Für ein paar Dollar oder Euro drückt jeder Polizist beide Augen zu.«
Gregor schwieg vor sich hin. Lewezows Tod ging ihm nicht aus dem Kopf. Zwar fügte er sich musterhaft in das Bild aller bisherigen Vorkommnisse in Bezug auf die Organmafia; aber war Lewezow nicht viel zu unbedeutend, um ihn so schnell und gnadenlos aus dem Weg zu räumen? Gropius wusste natürlich nicht, was Lewezow in den letzten Tagen angestellt hatte. Vielleicht, dachte er, war Lewezow aber auch den ehrenwerten Herren so nahe auf den Fersen, dass er sein eigenes Todesurteil fällte.
Gropius fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Plötzlich wurde ihm klar, dass er selbst einen ebenso gefährlichen Weg ging.
»Wie viele Monate hast du noch zu leben?«, frage Milena in das Schweigen, mit dem sie gewiss schon zwanzig Kilometer dahinbrausten.
Die Frage traf Gropius wie ein Schlag auf den Kopf. »Wie bitte?«, stammelte er.
Milena presste die Lippen zusammen, dann meinte sie: »Entschuldigung, ist das wohl eine Frage, die man nicht stellen darf.«
Gropius schwieg.
»Frage ich deshalb«, nahm Milena ihre Rede wieder auf, »weil Organ ist umso teurer, je dringender.«
»Woher wissen Sie das?« Die Auskunft überraschte ihn.
»Also gut!« Milena verlangsamte ihre Fahrweise und sagte: »Du bist mir sympathisch, Papiertiger. Ich will dir die Wahrheit sagen. Aber musst du schwören, niemandem zu sagen, dass du es von mir weißt. Ich kenne Prasskov ziemlich gut und weiß, was in seinen Kliniken abläuft.«
Aufgeregt sah Gropius Milena von der Seite an: »Von mir soll niemand etwas erfahren. Das schwöre ich.«
Starr blickte Milena geradeaus auf die Fahrbahn. Dann begann sie, stockend zuerst, schließlich immer schneller werdend: »Ich war Prasskovs Geliebte. Nicht dass ich ihn geliebt hätte, er war überhaupt nicht mein Typ. Er wollte ausgefallenen Sex und zahlte großzügig. Nach einem halben Jahr begann er an mir herumzumäkeln. Ihm passte dies und das nicht. Meine Lippen waren ihm zu dünn, der Busen zu schlaff, der Po zu dick. Er sagte: ›Mache ich aus dir eine Schönheit.‹ Sieht man, was ist dabei rausgekommen. Das Komische ist nur, als ich war fertig, als Lippen waren prall, Busen groß, Po schlank, verlor Prasskov die Lust an mir. Von einem Tag auf den anderen. Kannst du verstehen, dass ich ihn hasse?«
Gropius nickte: »Ja, das kann ich verstehen. Aber was wissen Sie über Prasskov?«
Milena holte tief Luft, als müsste sie Anlauf nehmen für ihre Antwort: »Prasskov ist guter Schönheitschirurg. Aber das ist nur die eine Seite. Er ist auch Kopf von Organmafia, er unterhält mehrere Kliniken mit modernster Ausrüstung und bezahlt eine Reihe von Transplantationschirurgen, vorwiegend aus Deutschland, welche die Operationen ausführen.«
»Und wie kommt er an die Organe?« Gropius rutschte auf dem Autositz unruhig hin und her.
»Von Prag ist es nicht weit nach Polen oder Russland. Da sterben täglich Hunderte auf den Straßen, und niemand fragt, ob Toter bei Beerdigung noch Herz hat oder Leber.«
»Das heißt, die Angehörigen wissen überhaupt nicht, dass …«
Stumm schüttelte Milena den Kopf. »Notärzte, Klinikärzte, werden alle von Prasskov bezahlt. Stecken alle unter einer Decke.«
Während Milena die Autobahn verließ und in das Stadtzentrum von Podĕbrady
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