Die Akte Golgatha
begleiten?«
»Heißt das, ich bin verhaftet?«, erkundigte sich Gropius aufgebracht.
»Keineswegs«, erwiderte Ingram nüchtern. »Wie Sie sagten, haben Sie ja eine plausible Erklärung für Ihren Aufenthalt in Prag.«
Gropius nickte, und gemeinsam gingen sie zu Ingrams Wagen, den dieser in der Kurzparkzone abgestellt hatte.
Es war später Vormittag, und so gelangten sie schnell und ohne Stau auf den Einfallstraßen an ihr Ziel.
»Dachten Sie wirklich, wir ließen Sie bei unseren Ermittlungen ganz aus den Augen?«, meinte Ingram, als sie sich endlich in seinem Büro am Schreibtisch gegenübersaßen.
Gropius' Gedanken kreisten unentwegt um Lewezows Tod. Wusste Ingram davon? Und wenn ja, kannte er die näheren Umstände? Und hatte er – Gropius – sich in irgendeiner Form strafbar gemacht, weil er die Polizei nicht eingeschaltet hatte und deswegen vielleicht ein Mord passiert war? Er beschloss, vorsichtig an die Sache heranzugehen. »Sie dürfen das nicht falsch auffassen, ich habe, um den Tod Schlesingers aufzuklären, einen Privatdetektiv eingeschaltet, und der Mann ist der Lösung ein gutes Stück näher gekommen.«
»Nur leider ist er jetzt selber tot.«
»Das wissen Sie bereits?«
»Wie ich schon sagte, es ist ein Fehler, die Polizei für dumm und träge zu halten. Gewiss, unsere Mühlen mahlen manchmal etwas langsam, aber dafür umso gründlicher.«
»Es liegt mir fern, Ihre Arbeit zu kritisieren.«
Ingram blickte misstrauisch, schließlich begann er mit den Fingerspitzen auf seinem Schreibtisch zu trommeln. Dann sagte er zu Gropius: »Sie haben also diesen Privatdetektiv nach Prag geschickt, um für Sie zu recherchieren. Können Sie mir erklären, warum Sie sich dann drei Tage später selbst auf den Weg gemacht haben?«
»Ich hatte nichts mehr von ihm gehört und machte mir Sorgen. Ist das so schwer zu verstehen?«
Ingram nickte stumm vor sich hin. »Und als Sie im Hotel eintrafen, haben Sie zuerst Lewezows Hotelrechnung beglichen, so, als wüssten Sie, dass der Privatdetektiv sie selbst nicht mehr begleichen würde.«
»Das ist doch Unsinn!«, brauste Gropius auf. »Lewezow war in meinem Auftrag unterwegs. Früher oder später hätte ich die Hotelrechnung ohnehin bezahlt. Im Übrigen hat der Mann gute Arbeit geleistet.« Gropius holte die Fotos aus seinem Pilotenkoffer und legte sie vor Ingram auf den Tisch. »Für den Fall, dass Ihnen die Herren unbekannt sind: Das ist mein Oberarzt Dr. Fichte bei der Ankunft im Flughafengebäude in Prag. Der Mann in seiner Begleitung heißt Thomas Bertram. Und abgeholt werden beide von Dr. Alexej Prasskov. Ziel der drei Männer war eine Privatklinik in einem Badeort in der Nähe von Prag.«
Ingram nahm ein Foto nach dem anderen in die Hand und nickte beifällig. »Gute Arbeit. Wirklich. Und was wollen Sie mit diesen Fotos beweisen, Professor?«
Gropius konnte seine Aufregung nicht verbergen. Er entnahm seinem Koffer ein gefaltetes Blatt und hielt es Ingram unter die Nase: »Das ist eine Liste von Eurotransplant. Sie enthält die Namen von Patienten, die dringend ein neues Organ benötigen. Und jetzt richten Sie Ihr Augenmerk auf die Nummer 56!«
Ingram las: »Thomas Bertram.«
»Jener Bertram, der mit Fichte nach Prag flog!« Gropius hielt das Foto wie eine Trumpfkarte in die Luft. »Ein Zufall? Nein! Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Fichte, Prasskov und Bertram gemeinsam eine Privatklinik in Podĕbrady betreten haben.«
»Wann war das?«
»Gestern!«
»Und Sie sind ganz sicher, dass der Mann Thomas Bertram war?«
»Was heißt sicher, ich kenne Bertram nicht persönlich, aber sein Bild füllt seit Jahren die Klatschspalten. Warum fragen Sie, Kommissar?«
»Bertram ist tot. Er starb gestern in der Nähe von Prag an einem Herzinfarkt.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
Über Ingrams Gesicht huschte ein Lächeln. »Von Interpol in Wiesbaden. Was Sie mir eben anhand der Fotos erzählt haben, ist mir nicht neu, Professor. Es mag Sie verwundern, aber wir haben Prasskov und Fichte seit geraumer Zeit und über die Grenzen hinweg unter Beobachtung. Prasskov ist einer der führenden Köpfe der Organmafia, und Ihr Oberarzt Dr. Fichte arbeitet für ihn auf Honorarbasis. Die Honorare, die er für seine Operationen bezieht, sind allerdings fürstlich. Oder dachten Sie, uns wäre nicht aufgefallen, dass Fichte ein Appartement in Monte Carlo und ein eigenes Flugzeug besitzt und ansonsten das kostspielige Leben eines Playboys führt? Ich glaube, Professor,
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