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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Wohnung.«
    »Schön, mein lieber Herr Cavaillon, ich
danke Ihnen bestens für Ihre gütige Auskunft, ich
werde Ihnen dafür den Weg ersparen und dem Fräulein
selbst den Brief überbringen.«
    Cavaillon wollte dies durchaus nicht zugeben, aber der
Sicherheitsagent schnitt ihm das Wort ab und sagte wohlwollend:
»Ich möchte Ihnen, mein lieber junger Herr, den guten
Rat geben, ruhig in Ihr Bureau zurückzukehren und sich nicht
weiter um die Angelegenheit zu kümmern.«
    »Prosper ist unschuldig, ich bin davon
überzeugt, er hat mir stets Gutes erwiesen, er ist mein Freund
und Beschützer.«
    »Das ist alles sehr schön, aber wie gesagt,
Sie können ihm nicht helfen und schaden sich nur selbst, wenn
man Ihre längere Abwesenheit bemerkt, können Sie nur
Unannehmlichkeiten davon haben; wenn Herr Bertomy unschuldig ist, so
wird das auch ohne Sie au den Tag kommen – also gehen Sie an
Ihre Geschäfte und – ich habe die Ehre, mich bestens
zu empfehlen.«
    Mit diesen Worten ließ Fanferlot den armen Cavaillon
stehen, der tief gedemütigt gehorchte. Während er den
Rückweg einschlug, schmiedete er tausend Pläne, wie
er Prosper nützen, Gypsy warnen und vor allem, wie er sich an
diesem entsetzlichen Polizeiagenten rächen könnte.
    Fanferlot begab sich indessen rasch zu Prospers Wohnung; er
hatte nicht lange zu suchen, denn im ersten Stock stand auf einem
Porzellanschild Bertomys Name. Fanferlot läutete und ein etwa
fünfzehnjähriger Bursche in greller Livree
öffnete.
    Der Geheimagent fragte nach Fräulein Gypsy und da der
kleine Bediente mit der Antwort zögerte, fügte er
hinzu: »Herr Bertomy sendet mich, ich habe einen dringenden
Brief zu bestellen und soll auf Antwort warten.«
    »So treten Sie ein, ich werde das Fräulein
benachrichtigen.«
    Der Diener führte Fanferlot in einen reizenden
kleinen Salon, der mit kostbaren Möbeln, Vorhängen,
Teppichen elegant ausgestattet war, und ließ ihn warten.
    »Potzblitz,« dachte der Polizist,
»unser Kassierer ist fein eingerichtet!«
    Er hatte aber nicht die Zeit, all die hübschen Sachen
in Augenschein zu nehmen, denn eine der Portieren öffnete sich
und Nina Gypsy erschien.
    Sie war klein und ungemein zierlich gebaut und ihre
Gesichtsfarbe hatte jenen goldigen Schimmer, der die Kreolinnen
auszeichnet.
    Sie hatte ein allerliebstes reizendes Gesichtchen und ihr
Anblick ließ es begreifen, daß mancher Mann bereit
war, für sie tausend Torheiten zu begehen.
    Sie trug ein hellfarbenes seidenes Morgenkleid und bewegte
sich wie ein anmutiges Kätzchen.
    Donnerwetter, dachte der Polizist, dem beim Anblick des
kleinen Dämchens die edle Schönheit Magdas, die er
vor einigen Stunden gesehen, in den Sinn kam, mein Herr Kassierer hat
einen guten Geschmack – einen fast allzu guten!
    Während Fanferlot ziemlich verlegen dastand, musterte
Nina ihren Besucher und war entrüstet, daß der
Bediente einen so schäbigen Menschen in ihren Salon
eingelassen hatte, da fiel ihr ein, daß es vielleicht einer
ihrer Gläubiger sein könnte, der sich wahrscheinlich
den Eintritt erzwungen und mit gerunzelter Stirn fragte sie kurz:
»Was wünschen Sie?«
    »Meine Gnädige,« versetzte er
höflich, »ich bin von Herrn Bertomy beauftragt, Ihnen
einen Brief zu bringen.«
    »Wie, Sie kennen Prosper?« fragte sie
verwundert.
    »Jawohl und ich gehöre sogar, wenn ich mich
so ausdrücken darf, zu seinen Freunden.«
    »Nicht möglich,« entfuhr es Nina,
die mehr aufrichtig denn höflich war. Es erschien ihr
höchst unglaubwürdig, daß ihr eleganter
Prosper, der zumeist mit Kavalieren verkehrt, einen so
schäbigen, unbedeutend aussehenden Freund haben sollte.
    »Ja,« wiederholte Fanferlot, »ich
nenne mich seinen Freund und ich kann Sie versichern, daß im
Augenblick wenig Leute den Mut hätten, dies zu
bekennen.«
    Der Agent sprach so ernst, daß Nina betroffen war.
    »Was wollen Sie damit andeuten?« fragte sie.
Statt aller Antwort zog der Polizist den Brief hervor und hielt ihn ihr
hin. Ahnungslos ergriff ihn Nina. Aber kaum hatte sie ihn
überflogen, als sie tödlich erblaßte und vor
Schreck fast umgesunken wäre. Einen Moment starrte sie wie
fassungslos auf das Blatt, dann aber trat sie auf den Agenten zu,
ergriff ihn so heftig am Arme, daß er beinahe aufgeschrien
hätte und rief: »Was soll das heißen,
erklären Sie mir, was das zu bedeuten hat?«
    Fanferlot war ein tapferer Mann, er fürchtete sich
nicht vor den

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