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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Richtige
aushecken.«
    »Nun – ich will mir die Sache
überlegen. Aber nun sage mir, was macht unsere
Kleine?«
    Damit meinte er die Nina Gypsy.
    Das arme Mädchen hatte noch immer keine Ahnung, in
wessen Hause sie sich befand, vielmehr war sie recht zufrieden, da die
Wirtin sie sehr liebenswürdig aufgenommen hatte. Nur eins
überraschte sie: die Vorladung, die sie erhalten hatte, und
staunte über die Findigkeit der Polizei, da sie doch geglaubt
hatte, besonders vorsichtig zu sein, weil sie nicht mit dem Namen Nina
Gypsy, sondern mit ihrem wirklichen, Anna Dupont, eingezogen war.
    Auf die Frage Fanferlots nach der »Kleinen«
antwortete seine Gattin: »Es wird täglich
schwieriger, sie zu halten, sie hat immer tausend neue Pläne;
als sie vom Verhör zurückkam, war sie außer
sich und wollte durchaus zu Fauvel, um dort Lärm zu schlagen,
und heute hat sie einen Brief geschrieben, den sie durch den Kellner
zur Post schicken wollte, natürlich habe ich ihm das Schreiben
abgenommen, weil es für dich vielleicht von Wichtigkeit
ist.«
    »Wie, du hast einen Brief und sagst das erst jetzt?
Schnell her damit, er birgt vielleicht des Rätsels
Lösung.«
    Die Adresse des Briefes lautete:
    Herrn Marquis von Clameran,
Hüttenbesitzer,
für Herrn Raoul von Lagors.
Hotel Louvre.
    Und in der Ecke stand noch das Wörtchen: dringend .
    Mit bewundernswerter Geschicklichkeit öffnete
Fanferlot das Schreiben, ohne Umschlag und Siegel zu verletzen und las,
während seine zärtliche Gattin hinter seinem Stuhl
stand, ihre rundliche Gestalt sanft an seine Schulter lehnte und mitlas.
    »Lieber Herr Raoul!
    Prosper ist im Gefängnis, eines Diebstahls, den er,
wie ich fest überzeugt bin, nicht begangen hat, angeklagt. Ich
habe Ihnen dies sofort geschrieben ...«
    »So,« unterbrach sich Fanferlot,
»geschrieben hat sie und ich habe den Brief nicht zu Gesicht
bekommen! Wer hat ihn aufgegeben? Was ist das für eine
Wirtschaft!«
    »Aber liebes Männchen,«
beschwichtigte Frau Alexandrine, »sie wird den Brief selbst
zur Post gebracht haben, als sie zum Verhör ging.«
    Das »liebe Männchen« beruhigte sich
und las weiter:
    »... geschrieben, bin aber noch immer ohne Antwort.
Wer soll Prosper retten, wenn seine besten Freunde ihn im Stich lassen?
Falls Sie auch diesen Brief unerwidert lassen, werde ich mich meines
Ihnen gegebenen Versprechens für ledig erachten und Prosper
das Gespräch zwischen Ihnen und dem Marquis von Clameran,
welches ich erlauscht habe, mitteilen. Aber ich hoffe, daß Sie
nur beistehen werden und erwarte Sie morgen bestimmt im Hotel Erzengel.
    Nina Gypsy.«
    Ehe Fanferlot den Brief wieder in den Umschlag steckte,
schrieb er ihn sorgfältig ab. Er hatte diese Arbeit kaum
vollendet, als vor der Tür ein eigentümlicher Pfiff
erscholl. Fanferlot sprang auf und war im Nu im Nebenzimmer
verschwunden, denn der Pfiff war ein Signal, das der Zimmerkellner gab,
welches besagte, daß jemand zu Frau Alexandrine kam, den Herrn
aber nicht sehen sollte.
    Kaum war der Sicherheitsagent verschwunden, als die
Tür aufgerissen wurde und Fräulein Nina hereintrat.
    Das arme Mädchen sah recht schlecht ans, ihre Augen
waren vom Weinen gerötet und ihre frischen Pfirsichwangen
waren entschieden bleicher.
    »Ich bitte, Frau Alexandrine,« sagte sie,
»wenn jemand nach mir fragen sollte, sagen Sie
gefälligst, daß ich gleich wieder
zurückkomme ...«
    »Wie, Sie wollen ausgehen, liebes Kind, jetzt um
diese Zeit und wo Sie doch so unwohl sind?«
    »Ja, ich muß, es ist von großer
Wichtigkeit, nun, da Sie so gut gegen mich sind, kann ich es Ihnen ja
anvertrauen, eben hat mir ein Dienstmann einen Brief gebracht
...«
    »Nicht möglich!« rief Frau
Alexandrine bestürzt, »ein Dienstmann soll hier
gewesen und zu Ihnen hinaufgegangen sein?«
    »Freilich, was ist denn da so Erstaunliches
dabei?«
    »O nichts, nichts, nun, und darf man wissen, was der
Brief enthält?«
    »Bitte, lesen Sie selbst.« Frau Alexandrine
nahm das Schreiben und las so laut, daß Fanferlot jedes Wort
im Nebenzimmer verstehen konnte.
    »Ein Freund Prospers, der weder zu Ihnen kommen, noch
Ihren Besuch bei sich empfangen kann, hat nichtsdestoweniger dringend
mit Ihnen zu sprechen und bittet Sie, sich heute abend in dem
Omnibusbureau gegenüber dem Jakobsturm einzufinden. Schreiber
dieses wird Ihnen dann wichtige Mitteilungen machen. Er
schlägt Ihnen diesen Ort vor, um Ihnen jede Furcht zu

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