Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
Vom Netzwerk:
bei dieser
Gelegenheit die am Hause lehnende Leiter bemerken.
    Eilig legte sie Verduret auf den Boden und zog Prosper mit
sich unter die Bäume, wo sie völlig im Dunkeln
standen, das Haustor und die Gittertür aber vor Augen hatten.
    Beinahe im selben Augenblick erschien Magda und Raoul am
Haustor.
    Er hatte die Lampe auf den Treppenabsatz gestellt und bot
Magda die Hand; mit einer hochmütigen Bewegung wies sie das
junge Mädchen zurück – Prosper
hätte darüber jauchzen mögen.
    Raoul schien die Beleidigung kühl aufzufassen, er
zuckte die Achsel und schien zu sagen: Wie Sie wollen – dann
ging er an die Gittertür, schloß auf, sperrte hinter
Magda wieder zu und lief rasch ins Haus zurück,
während der Wagen sich im raschen Trab entfernte.
    »Nun, Herr Verduret, wollen Sie jetzt Ihr Versprechen
halten und mir alles sagen? Ich werde stark sein und die Wahrheit, wie
bitter sie auch sein möge, ertragen.«
    »Die Wahrheit wird Ihnen nicht bitter, sondern
süß erscheinen. Es wird der Tag kommen, an dem Sie
erröten und bereuen werden, auch nur einen Augenblick lang den
entehrenden Verdacht gehabt zu haben, daß Magda die Geliebte
eines Menschen, wie dieser falsche Lagors ist, sein
könnte!«
    »Ach, mein Gott, was man mit eigenen Augen
sieht...«
    »Nichts haben Sie gesehen, es war nur Schein
– und dem muß man immer mißtrauen.
Natürlich steckt irgend etwas dahinter... Doch jetzt genug
davon, wir müssen machen, daß wir fortkommen und
leider müssen wir denselben Weg einschlagen, den wir
hereingenommen haben, weil dieser verwünschte Raoul die
Gittertür wieder abgesperrt hat.«
    Sie überstiegen wieder die Mauer. Kaum hatten sie
einige Schritte auf der Straße gemacht, als sie
hörten, wie die Gittertür aufgeschlossen wurde und
ein Mann heraustrat, der, nachdem er wieder zugesperrt, rasch den Weg
nach dem Bahnhof einschlug.
    »Das ist Raoul,« sagte Verduret,
»durch Josef werden wir erfahren, was er Clameran
über den Auftritt erzählt – wenn die
Schurken nur nicht wieder englisch reden! – –
    »Wenn nur unser Kutscher noch nicht weggefahren
ist,« fügte er nach einer Pause hinzu,
während er rasch ausschritt, »wir können
nicht daran denken, die Eisenbahn zu benutzen, weil wir Raoul am
Bahnhof treffen würden.«
    Obgleich schon mehr als eine Stunde verflossen war, fanden sie
den Kutscher doch noch in dem bezeichneten Wirtshause. Offenbar wollte
er das reichliche Trinkgeld seiner Bestimmung zuführen und tat
sich nun am Weine gütlich.
    Das Erscheinen seiner Fahrgäste freute ihn, so
brauchte er also nicht leer nach Paris zu fahren und es gab einen
hübschen Verdienst, allein der Zustand, in dem sie sich
befanden, befremdete ihn.
    »Wie sehen Sie aus!« rief er.
    Prosper erwiderte, sie hätten einen Freund besuchen
wollen, wären fehl gegangen und in einen Graben gefallen.
    »So, so,« brummte der Kutscher, bei sich
dachte er aber, die beiden Kumpane haben wohl einen schlechten Streich
ausführen wollen, es ist ihnen aber dabei selber schlecht
ergangen.
    Während der Heimfahrt versuchte Prosper, Verduret zum
Sprechen zu bringen, da aber dieser nur einsilbige Antworten gab, so
schwieg er schließlich ebenfalls und beide hingen ihren
eigenen Gedanken nach. Verduret hatte geglaubt, daß ihm der
Ausflug Licht bringen werde und nun war die Sache nur noch unklarer und
verwickelter als vorher. Und er grübelte und
grübelte, um des Rätsels Lösung zu finden.
    Es schlug eben Mitternacht, als der Wagen endlich vor dem
›Erzengel‹ hielt. Da erinnerte sich Verduret,
daß sie beide noch nichts genossen hätten. Zum
Glück fanden sie Frau Alexandrine noch auf und im Nu stand ein
schmackhaftes Abendessen vor ihnen.
    Ehe sie ihre Zimmer aufsuchten, um sich zur Ruhe zu begeben,
sagte Verduret: »Morgen werden wir uns tagsüber nicht
sehen, aber ich hoffe, daß es mir auf dem Balle bei Jandidier
glücken wird, etwas in Erfahrung zu bringen und dann treffen
wir uns hier nach Mitternacht.«
    »Wie, Sie gehen auf den Kostümball? Deshalb
sandten Sie mich zum Kostümhändler?« rief
Prosper verwundert. »Sind Sie denn eingeladen?«
    »Natürlich,« entgegnete Verduret,
nahm einen Leuchter und schnitt weiteres Fragen mit einem kurzen
»Gute Nacht, auf Wiedersehen« ab.
    Und Prosper dachte, während er traurig sein Zimmer
aufsuchte: Glücklicher Verduret, er wird Magda sehen!

10. Kapitel
    Der Palast des Bankier Jandidier war einer der
schönsten von

Weitere Kostenlose Bücher