Die Akte Nr. 113
Paris und mit geradezu märchenhafter
Pracht ausgestattet.
An dem Abende, an welchem der Kostümball stattfand,
erstrahlte er in
feenhaftem Lichte, und die elegante Gesellschaft, die sich in den Salon
drängte, konnte das glanzvolle und künstlerische
Arrangement nicht
genug bewundern. Die Gäste, welche den vornehmsten und
reichsten
Gesellschaftskreisen angehörten, waren alle in kostbare
geschmackvolle
Kostüme gekleidet, von denen einige sich durch Echtheit
besonders
auszeichneten. So blieb ein Bajazzo, der ein echtes altitalienisches
Kostüm trug und dessen ausdrucksvolles Gesicht
merkwürdig zu der
gewählten Tracht paßte, nicht unbemerkt. Er fiel
dadurch besonders auf,
daß er in einer Hand eine leinene, buntbemalte Fahne hielt,
während er
in der anderen ein Stöckchen hin und her schwang und von Zeit
zu Zeit
auf die Leinwandbilder schlug, wie es die Quacksalber auf den
Jahrmärkten zu tun pflegen, ehe sie ihre Waren ausschreien und
anpreisen.
Man umringte den Bajazzo, da man einen Spaß von ihm
erwartete, als
man sich aber in der Erwartung getäuscht sah, ließ
man ihn allein.
Er stellte sich so auf, daß er die
Eingangstür im Auge behalten
konnte und verließ diesen Platz erst, nachdem Herr Fauvel mit
seiner
Familie erschienen war.
Zehn Tage waren seit dem Diebstahl bei Fauvel verflossen, aber
man
sprach noch immer davon und jetzt nahmen viele – Freund und
Feind –
willkommenen Anlaß, dem Bankier ihre Teilnahme, die bei den
einen
aufrichtig, bei den anderen nur erheuchelt war, auszusprechen.
Fauvel trug kein eigentliches Kostüm, sondern hatte
nur, dem Zwange
sich fügend, einen schwarzseidenen spanischen Mantel um die
Schultern
geworfen, er führte seine Frau, die trotz ihrer achtundvierzig
Jahre
noch blendend schön aussah, am Arme. Sie trug ein Hofkleid aus
Samt und
Brokat aus der Zeit Ludwigs XIV. und zwar ohne Diamanten noch sonstigen
Schmuck, wie es in den letzten Regierungsjahren des großen
Sonnenkönigs
Mode gewesen und bewegte sich mit dem vornehmen Anstand einer
Königin.
Ihr zur Seite, als Edelfräulein gekleidet, schritt
Magda, sie war
schöner und anmutiger denn je und fand allgemein aufrichtige
und
ungeteilte Bewunderung.
Fauvel geleitete seine Damen in den Ballsaal, in welchem das
Orchester unter der Leitung des berühmten Kapellmeisters
Strauß die
entzückenden Tonweisen spielte, und begab sich dann in das
Spielzimmer,
wo für die älteren Herren Kartentische aufgestellt
waren.
Der Bajazzo lehnte vergessen in einer Fensternische und
ließ seine
Blicke über die bunte wogende Menge schweifen, aber ein Paar,
das eben
an ihm vorübertanzte, erregte seine besondere Aufmerksamkeit.
Es war Magda, und ihr Kavalier im prachtvollen
Dogenkostüm, niemand
anderes, als der Marquis von Clameran. Er sah sehr vorteilhaft aus und
schien dem schönen Edelfräulein eifrig den Hof zu
machen.
Wie kommt Magda dazu, sich von dem adeligen Schurken so
anschmachten
zu lassen? dachte der Bajazzo. Ein Glück, daß Prosper
nicht hier ist!
Inzwischen war der Tanz zu Ende und der Bajazzo hatte das Paar
aus
den Augen verloren. Ich finde sie gewiß bei Frau Fauvel
wieder, dachte
er und schob sich durchs Gedränge, um die Frau des Bankiers zu
suchen.
Er hatte nämlich bemerkt, daß sie sich, von der
großen Hitze des Saales
belästigt, in den wundervollen Wintergarten
zurückgezogen hatte.
Wirklich entdeckte er sie bald in einer Laube, die durch
blühende
Flieder-, Kamelien- und Orangenbäume gebildet war. Ihr zur
Seite stand
Raoul, als Edelknabe vom Hofe Heinrichs III. kostümiert. Er
sah
wirklich bildschön aus und der Bajazzo mußte denken,
daß es eigentlich
gar nicht verwunderlich wäre, wenn sich ein junges
Mädchen in ihn
verliebte. Allein Magda schien in dieser Beziehung völlig
unempfindlich
zu sein, sie saß auf der anderen Seite der Frau Fauvel und sah
traurig
aus. Sie hatte eine Kamelie vom nächsten Strauche
gepflückt, drehte sie
gedankenlos zwischen den Fingern und starrte wie geistesabwesend ins
Leere.
Vom Spielsalon konnte man sehr gut in den Wintergarten sehen,
dort
an der Tür lehnte der Doge und beobachtete Frau Fauvel und
Magda, ohne
von ihnen gesehen zu werden.
Frau Fauvel und Raoul sprachen miteinander, er bückte
sich zu ihr
herab und ihr Gespräch schien sehr lebhaft zu sein, der
Bajazzo hätte
gerne etwas davon erlauscht, doch hielt es schwer, unbemerkt
näher zu
kommen; er
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