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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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ein Gespenst. Dann erinnerte ich mich, daß
Gaston während eines
Besuches seines Bruders plötzlich gestorben ist.«
    »Glauben Sie denn an einen Mord?«
    »Ich kann von Leuten, die einen meuchlings
überfallen, alles
glauben. Die beiden Schurken mögen mancherlei auf dem Gewissen
haben. –
Wenn es sich nur mehr um den Diebstahl handelte, wäre die
Sache sehr
einfach, denn darüber bin ich nicht im geringsten im
unklaren.«
    »Wie, wär's möglich ...? Sie
wüßten ...?« rief Prosper hoffnungsfreudig
bewegt.
    »Ja, ich weiß, wer den Schlüssel
hergegeben, und ich weiß, wer das Stichwort verraten
hat.«
    »Den Schlüssel kann man allenfalls Herrn
Fauvel entwendet haben, aber das Stichwort...?«
    »Das haben Sie unglücklicherweise selbst
preisgegeben! Sie staunen!
Erinnern Sie sich nicht mehr daran? Nun, zum Glück hat
Fräulein Nina
ein besseres Gedächtnis. Zwei Tage vor dem Diebstahl beklagte
sie sich
– es war gerade Gesellschaft bei Ihnen, Ihr Freund Raoul war
auch
darunter – daß Sie sie nicht mehr liebten. Wissen
Sie noch, was Sie zur
Antwort gaben, Sie unvorsichtiger Mensch? Sie sagten: Du tust Unrecht,
mir Mangel an Liebe vorzuwerfen; Beweis, daß ich stets an dich
denke,
ist, daß eben jetzt dein geliebter Name die Kasse meines Chefs
behütet!«
    Prosper schlug sich vor die Stirn, ja, jetzt erinnerte er
sich, er
hatte dem Sekt fleißig zugesprochen und leichtsinnigerweise
das
Stichwort veralten.
    »Nun wird Ihnen auch das übrige klar sein.
Lagors oder Clameran,
einer von den beiden, hat Frau Fauvel gezwungen, den Schlüssel
ihres
Mannes herauszugeben und konnte nun leicht mit den: Stichwort die Kasse
öffnen und das Geld entwenden. Die arme Frau müssen
sie mit
schrecklichen Drohungen eingeschüchtert haben, sie war am Tage
nach dem
Diebstahl ganz krank und sie war es, die, ungeachtet aller Gefahr,
Ihnen die zehntausend Frank geschickt hat. Nun fragt es sich, wer war
der Dieb, Raoul oder Clameran, und wer verleiht ihnen eine solche Macht
über Frau Fauvel? Und wie kommt es, daß Magda in
diese Schändlichkeiten
verwickelt ist? All diese Fragen sind noch offen und darum gehen wir
noch nicht zum Untersuchungsrichter. Lassen Sie mir noch acht Tage
Zeit, mein lieber Prosper, und wenn ich dann nicht alles
Wünschenswerte
entdeckt habe, dann gehen wir zu Herrn Pertingent und erzählen
ihm, was
wir wissen – indes denke ich – meine Reise wird
nicht fruchtlos sein.«
    »Wie, Sie wollen verreisen?«
    »Ja und zwar sogleich, ich fahre nach Beaucaire, denn
aus dieser
Gegend stammen Clameran und Frau Fauvel, die eine geborene
Gräfin von
Laverberie ist; dort will ich mich über beide Familien genau
erkundigen. Raoul und sein würdiger Freund werden inzwischen
nicht
entwischen – übrigens ist ja Josef da. Aber Sie,
lieber Prosper, bitte
ich, seien Sie vorsichtig. Versprechen Sie mir, während meiner
Abwesenheit den Erzengel nicht zu verlassen.«
    Prosper gab das Versprechen, doch ehe Verduret ging, konnte
Prosper
sich nicht enthalten, zu fragen: »Darf ich noch immer nicht
erfahren,
wer Sie sind und welchen Umständen ich Ihre Hilfe, Ihre
mächtige
Unterstützung verdanke?«
    Der sonderbare Mann lächelte traurig.
    »Ich werde es Ihnen in Ninas Gegenwart am Tage vor
Ihrer Hochzeit mit Fräulein Magda sagen.«
    Prosper hielt sein Versprechen, er blieb den ganzen Tag in
seinem
Zimmer und wagte kaum, den Kopf zum Fenster hinauszustecken, aus
Furcht, gesehen zu werden. Zweimal schrieb ihm Verduret, daß
alles gut
ginge und er die Geduld nicht verlieren solle.
    Prosper verlor auch die Geduld nicht, nur am siebenten Tage
nach
Verdurets Abreise bekam er heftiges Kopfweh, er hatte schon einige
Nächte schlecht geschlafen und meinte, ein kleiner Spaziergang
würde
ihm gut tun.
    Frau Alexandrine wollte ihn nicht gehen lassen, aber er sagte:
»Jetzt ist es zehn Uhr abends, wer soll mich denn da in diesem
fremden
Stadtviertel sehen? Ich will nur ein bißchen in den Kaianlagen
auf und
ab schlendern und komme gleich wieder zurück.«
    Er ging, dehnte aber seinen Spaziergang weiter aus und als er
an
einem Kaffeehaus vorüberkam, bekam er Lust, ein Glas Bier zu
trinken.
Er trat ein, ließ sich an einem Tischchen nieder und
während der
Kellner das Verlangte brachte, griff er mechanisch nach einer Zeitung,
aber er hatte kaum einen Blick hineingeworfen, als er sich, wie vom
Blitz getroffen, niedergeschmettert fühlte. Das Blatt

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