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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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sagte Lagors, der seine Ruhe
bewahrt hatte und zog
den Willenlosen mit sich fort; er mußte ihn stützen,
denn der Marquis
schwankte, wie ein Betrunkener.
    »Ah!« sagte der Bajazzo im höchsten
Erstaunen. »Ah!«
    Er war über die Wirkung seiner Worte selbst im hohen
Grade bestürzt,
er hatte die geheimnisvollen Andeutungen nur aufs Geratewohl gemacht,
vielleicht war es auch sein Polizisteninstinkt, der ihn dazu antrieb,
in keinem Fall aber hatte er eine bestimmte Absicht damit verbunden.
    Was bedeutet das? fragte er sich. Was hat den Schurken so
erschreckt? Dem muß ich auf die Spur kommen.
    Der Bajazzo verließ seinen Platz in der Fensternische
und drängte
sich durch die auf und ab wogende Menge, um zu sehen, was aus den
beiden Spießgesellen geworden. Es dauerte nicht lange, so sah
er sie,
wie sie von Gruppe zu Gruppe gingen und eine Menge Leute anredeten.
    Aha, dachte der Bajazzo, die ehrenwerten Herren
möchten erfahren,
wer ich bin. Fragt nur immerzu, meine ehrlichen Freunde, fraget nur.
    Ihre Nachforschungen blieben ohne Erfolg und das schien sie
noch
mehr zu beunruhigen, sie empfanden das Bedürfnis, allein zu
sein und
ohne das Souper abzuwarten, entfernten sie sich.
    Der Bajazzo sah sie zur Garderobe gehen, ihre Mäntel
nehmen und das
Haus verlassen und da er selber nichts mehr auf dem Feste zu tun hatte,
entfernte er sich ebenfalls.
    Vor dem Hause standen viele Wagen, da aber das Wetter
schön war,
beschloß der Bajazzo zu Fuß nach Hause zu gehen und
seine verworrenen
Gedanken in der erfrischenden Nachtluft zu sammeln und zu ordnen.
    Er zündete sich eine Zigarre an und schlenderte
langsam seiner Behausung zu.
    Plötzlich – er mochte noch keine hundert
Schritte gegangen sein –
sprang ein Mann aus dem Schatten, in dem er sich verborgen gehalten,
hervor und drang mit erhobenem Arm auf ihn ein.
    Aber der Bajazzo hatte den Mann im Schatten bemerkt, und als
er
jetzt auf ihn zustürzte, bog er sich rasch zurück und
streckte die Arme
vor. Diese Bewegung rettete ihm das Leben, und der wütend
geführte
Dolchstoß, der ihn sonst unfehlbar getötet
hätte, traf nur den Arm.
    »Ha, Schurke,« rief er.
    Als der Mörder seinen Anschlag vereitelt sah, entwich
er eilenden Laufs.
    Das ist sicher der edle Ritter Lagors, da wird der andere
Kumpan auch nicht fern sein, dachte der Bajazzo.
    Indessen schmerzte ihn die Wunde empfindlich. Er stellte sich
unter
eine Gaslaterne, um sie zu besichtigen, sie schien ihm nicht sehr
gefährlich, doch war sie sehr breit und blutete heftig. Er
verband sie
mit seinem Taschentuch, das er in Streifen riß, so gut es
angehen
wollte und setzte seinen Weg gedankenvoll fort.
    Ich muß sehr bösen Dingen auf der Spur sein,
wenn sie zum Dolche
greifen, dachte er. Man setzt sich doch nicht einer
Geringfügigkeit
willen der Gefahr aus, ins Zuchthaus zu kommen.
    Der Bajazzo ließ, trotzdem ihm seine Gedanken lebhaft
beschäftigten,
die Vorsicht nicht außer acht, er vermied die dunkeln Ecken
und hielt
sich mitten auf der Straße. Trotzdem er niemand sah, war er
überzeugt,
daß seine Verfolger in der Nähe waren und richtig,
als er bei einer
Kreuzung die Straße überschritt, gewahrte er zwei
Gestalten, die ihm
wohl bekannt waren.
    »Es sind geriebene Schufte,« sagte sich der
Bajazzo, »die sicher
schon mehr derartige Abenteuer bestanden haben, sie folgen mir ganz
offenkundig. Jetzt wollen sie mich nicht mehr umbringen, sondern sie
wollen ganz einfach wissen, wer ich bin. Es wird schwer halten, sie auf
falsche Fährte zu locken. Der Spaß mit dem Wagen, auf
den Fanferlot
hineingefallen ist, würde bei ihnen nicht verfangen, die sind
zu
schlau. Die Schurken sind mir knapp an der Ferse und ich kann weder
nach Hause noch in den Erzengel gehen; denn, wenn sie herausbekommen,
daß hinter dem Bajazzo ein Detektiv steckt, dann ist's mit
meinen
Plänen vorbei, dann fliegen mir meine Galgenvögel
davon – Geld haben
sie ja, die Schufte – und ich hätte das Nachsehen,
samt meinen Unkosten
und dem Messerstich.«
    Der Gedanke, daß ihm die Spitzbuben entwischen
könnten, brachte ihn
so auf, daß er Lust bekam, sich ihrer gleich zu versichern,
das wäre
sehr einfach gewesen, er brauchte nur nach einem Schutzmann zu rufen,
der sie dann alle drei aufs Polizeikommissariat führen
würde. Aber was
wäre das Resultat? Gegen Raoul lagen genügend Beweise
vor, aber gegen
Clameran? Da sprachen nur Vermutungen; es mußten

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