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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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zurück mit euch.«
    Einen Augenblick ließen sie ab und begnügten
sich bloß, Zuschauer des Kampfes zu sein.
    Das Schauspiel war interessant genug.
    Gaston und Lazet rangen regelrecht miteinander, sie waren
beide gleich kräftig und gewandt und es schien, als ob keiner
einen besonderen Vorteil über den anderen erlangen
könnte. Aber plötzlich hatte Gaston die Oberhand,
schon war er im Begriff, seinen Gegner zu Boden zu drücken,
als die erregten Zuschauer sich nicht länger
zurückhalten konnten, wie die Wahnsinnigen stürzten
sie sich auf die Kämpfenden und rissen sie auseinander. Jetzt
warfen sie sich auf Gaston, einer versuchte ihm gar einen Riemen um die
Beine zu schlingen, die anderen wollten ihn an den Armen zu Boden
reißen.
    Gaston wehrte sich wie ein Verzweifelter, seine
Kräfte schienen zu wachsen, und er hielt einem Dutzend
Angreifer mutig stand.
    »Schurken und Feiglinge,« rief er,
»schämt ihr euch nicht, wie eine Bande Strolche
über einen einzelnen Mann herzufallen?«
    Es war ihm gelungen, sich frei zu machen, er lief um das
Billard herum und suchte die Tür zu gewinnen, aber seine
Angreifer waren ihm von der anderen Seite entgegengekommen und
schnitten ihm den Weg ab, drei fielen ihm in den Rücken.
    Mit einer mächtigen Bewegung schüttelte er
sie ab, so daß er wieder die Arme frei hatte, schlug einen,
der ihm im Wege stand, mit einem Faustschlag nieder, und als sie jetzt
alle wie eine Meute toller Hunde über ihn herfielen, ergriff
er ein Messer, daß auf einem Tische in seiner Nähe
lag, und stieß damit blind zu. Unglücklicherweise
wollte Lazet ihm eben entgegenkommen, das Messer traf ihn mitten in die
Brust und tödlich getroffen stürzte er zu Boden.
    Eine Sekunde lang waren alle wie von Entsetzen
gelähmt, dann eilten einige dem Verwundeten zu Hilfe,
während die übrigen sich mit erneuerter Wut gegen
Gaston wendeten; »Mörder, Mörder!«
schrien sie und schleuderten, was ihnen nur in die Hände fiel,
gegen ihn.
    Er sah sich verloren, schon blutete er aus mehreren Wunden,
die Kräfte drohten ihm zu versagen, da faßte er einen
verzweifelten Entschluß, er schwang sich aufs Billard und
sprang mit einem gewaltigen Satze durch die Spiegelscheibe eines der
Fenster. Er durchbrach es, aber die Glassplitter zerrissen ihn so,
daß kein heiler Fleck an seinem ganzen Leibe war.
    Nun war er draußen, aber nicht gerettet. Seine
Tollkühnheit hatte seine Feinde allerdings einen Augenblick
lang verblüfft, aber dann stürzten sie ihm nach.
    Er lief über den Platz und wußte nicht,
welchen Weg er einschlagen sollte.
    Das Wetter war schlecht, der Boden aufgeweicht, schwere Wolken
zogen, vom Westwind getrieben, am Himmel hin, aber es war trotz der
vorgerückten Abendstunde noch immer hell genug und er konnte
sich nirgends verbergen. Wohin sollte er? Am besten war's wohl nach
Hause, nach Clameran. Er lief nicht, er flog dem Damme zu, der
längs der Rhone als Promenade angelegt und mit
schönen Bäumen bepflanzt ist.
Unglücklicherweise vergaß Gaston, daß
querüber ein Schranken, der die Anlagen vor den Wagenverkehr
absperrte, stand und er prallte im vollen Laufe dagegen an. Er
stürzte und obgleich er, trotz des heftigen Schmerzes, den er
in der Hüfte empfand, sofort wieder aufsprang, hatten ihn
seine Verfolger doch schon erreicht.
    »In die Rhone, in die Rhone mit dem Aristokraten, dem
Mörder!« schrien sie.
    Nun war er verloren, aber er wollte sein Leben teuer
verkaufen. Er war wie von Sinnen und wußte nicht was er tat.
Ein Glassplitter hatte ihn an der Stirn verwundet, das Blut lief ihm
über die Augen, daß er wie blind war.
    Noch hielt er das blutige Messer in der Hand, er
stieß zu und wieder fiel ein Mann.
    Das verschaffte ihm einen Augenblick Ruhe und er konnte, um
den Schranken herum, in die Anlagen einbiegen und weitereilen. Aber
seine Verfolger zögerten nicht lange, zwei waren bei dem
Gestürzten zurückgeblieben, die übrigen
jagten Gaston nach.
    Aber der Verfolgte nutzte seinen Vorsprung aus, die
Verzweiflung lieh ihm Riesenkräfte, er fühlte seine
Wunden kaum, die Ellbogen fest an den Leib gepreßt, lief er
wie ein Schnelläufer in der Rennbahn. Der Vorsprung, den er
vor seinen Verfolgern hatte, wurde immer größer und
größer, er hörte ihren keuchenden Atem immer
weiter hinter sich, das Geräusch ihrer Schritte verhallte
immer mehr und mehr, zuletzt war nichts mehr zu vernehmen.
    Gaston lief aber doch noch

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