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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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heißen, was unterstehst du
dich?« rief Louis mit unterdrückter Wut.
    Raoul machte sich von ihm los.
    »Etwas zarter, wenn ich bitten darf,« sagte
er trotzig, »ich will höflich behandelt sein
– sonst antworte ich so.«
    Und mit diesen Worten ließ er den Lauf eines
Revolvers aus der Tasche hervorschimmern.
    »Was willst du eigentlich?«
    Sie hatten einen abgelegenen Seitenweg eingeschlagen, waren
dann querfeldein gegangen, und erst als sie weit draußen in
völliger Abgeschiedenheit waren, sagte Raoul: »So,
ich meine hier sind wir ungestört, teuerer Onkel, und ich kann
mich deutlich erklären. Deine Briefe, lieber Onkel, waren mit
großer Vorsicht abgefaßt, das war natürlich
klug, aber ich fand sie zu dunkel. Ich hatte nur die eine Empfindung
– Gefahr ist im Verzuge, und da ich der Gefahr gerne ins Auge
schaue, so bin ich gekommen.«
    »Wie, hast du kein Vertrauen zu mir?«
»Ungeheueres, verehrter Onkel, dasselbe, das du zu mir hast.
Laß dir also in Kürze sagen, daß ich nicht
gewillt bin, mich am Narrenseile führen zu lassen –
ich weiß ganz genau, daß du mich im Notfalle ohne
Zaudern preisgeben würdest – leugne nicht, edler
Oheim, denn an deiner Stelle täte ich dasselbe ... So, nun
kennst du meine Meinung, und damit genug gegenseitiger
Vorwürfe. – Und nun berichte mir alles.«
    Louis sah ein, daß er gegen einen solchen
Mitschuldigen nicht aufkommen konnte, daher ließ er seine
Entrüstung fahren und berichtete alles getreulich, nur
über die Vermögensverhältnisse Gastons
sprach er nicht wahrheitsgemäß, sondern tat, als wenn
der Reichtum seines Bruders nur ganz unbedeutend wäre.
    »O weh,« sagte Raoul, nachdem er alles
gehört hatte, »die Sache steht schlimm.«
    »Nicht so arg, als es den Anschein hat, verlasse dich
auf mich, es wird mir schon gelingen ein Mittel ausfindig zu machen;
kehre nur ruhig nach Paris zurück, solange ich hier Gaston
festhalte, läufst du dort keine Gefahr.«
    Raoul dachte einen Augenblick nach.
    »Allerdings,« versetzte er nach einer Pause,
»haben wir von meiner Frau Mutter nichts zu fürchten,
aber du hast uns, verehrter Onkel, eine gefährliche Feindin
geschaffen ...«
    »Du meinst Magda? – bah
–« antwortete Louis und machte eine
geringschätzende Handbewegung.
    »Du unterschätzest sie, glaube mir. Sie hat
sich allerdings bereit erklärt, sich für ihre Tante
zu opfern und dich zu heiraten, aber sie ist kein schwacher Charakter
und wird kämpfen, denn – sie liebt. Wenn du klug
bist, so verzichtest du freiwillig auf sie.«
    »Niemals!« stieß Louis fast
schreiend hervor. »Niemals! Ich wollte sie zuerst ihrer
Mitgift halber, aber jetzt würde ich sie auch ohne einen
Pfennig Vermögen nehmen, ich liebe sie, und ich muß
und will sie besitzen!«
    Raoul war von dem leidenschaftlichen Ausbruch betroffen.
»So, du liebst sie, nun, dann sind wir so gut wie verloren.
– Das Herz geht mit dem Verstande durch und es wird der Tag
kommen, an dem du dich ihr auf Gnade und Ungnade ergibst. –
Und sie ist eine schlaue Dalila, sie ist unsere Feindin und wird uns
vernichten!«
    »Du scheinst sie ja furchtbar zu hassen, oder
– mein schöner Neffe, hättest du vielleicht
auch Feuer gefangen und wäre der Haß nichts anderes
als – verschmähte Liebe?«
    Trotzdem die Nacht sternenhell war, so konnte doch Louis den
Ausdruck, der Raouls Züge plötzlich entstellte, nicht
wahrnehmen.
    »Nein,« stieß er rauh hervor.
»Mir liegt an den Weibern nichts, ich will nur Geld.«
    »Also gib dich zufrieden, sobald Magda meine Frau
ist, bekommst du die Hälfte ihrer Mitgift, was begehrst du
mehr?« Die beiden Gesellen sprachen noch hin und her, und
Mitternacht war längst vorüber, als sie sich mit dem
Versprechen, sich morgen am selben Ort und zur selben Zeit wieder
treffen zu wollen, trennten.
    Auch in dieser Nacht konnte Louis kein Auge
schließen, die Frage, warum Raoul Paris verlassen hatte,
quälte ihn unablässig, und er begann seinen
Spießgesellen zu fürchten und zu hassen.
    Aber bis zum nächsten Abend hatte er seine
Pläne entworfen, und als er mit Raoul zusammentraf, war sein
Entschluß gefaßt.
    »Nun,« sagte Raoul, sobald er seines Onkels
ansichtig wurde, »was hast du ausgeheckt?«
    »Ich hätte dir zweierlei Vorschläge
zu machen. Der eine ist, wir verzichten auf das Geschäft, du
verschwindest aus Frankreich – natürlich mit einem
hübschen Sümmchen in der Tasche.«
    »Was nennst

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